Arbeitskreis Digitale Gesellschaft

SPD Schleswig-Holstein

22. Oktober 2011

Allgemein
MdB Sönke Rix zum „Bundestrojaner“: Misstrauen verhindern – Grenzen einhalten

Nachdem dem Chaos Computer Club (CCC) vor zwei Wochen der sogenannte „Bundestrojaner“ – ein Computerprogramm, mit dem Sicherheitsbehörden Rechner verdächtiger Personen ausspähen – zugespielt wurde, kommt nach und nach das Ausmaß des Einsatzes dieser Software ans Licht: Der „Bundestrojaner“ soll in Bund und Ländern in den vergangenen Jahren mehr als 50 Mal zum Einsatz gekommen sein.

BKA, Verfassungsschutz, die Bundespolizei sowie das Zollkriminalamt haben die Technik verwendet. Hinzu kommen Einsätze in den Bundesländern.

Der Einsatz der vom CCC analysierten Überwachungssoftware weckt bei mir grundsätzlich Unbehagen. Schließlich werden solche Programme auch als Einbruchswerkzeug von Kriminellen genutzt. Aber darum geht es nicht in der aktuellen Debatte, denn Online-Durchsuchungen sind seit 2009 mit dem sogenannten BKA-Gesetz gesetzlich geregelt. Es geht vielmehr darum, was staatliche Stellen mit der so gewonnenen Macht über den Rechner eines Bürgers machen dürfen und was nicht. Die Grenzen hat das Bundesverfassungsgericht 2008 gezogen: Seitdem gibt es ein „Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“ und die Voraussetzungen für einen Eingriff liegen sehr hoch. Daten auf dem Rechner eines Verdächtigen ablegen, seine Aktivitäten am Computer überwachen und mit Hilfe des Mikrofons oder der Kamera den Raum überwachen, das geht z. B. nicht. Aber genau dies konnte möglicherweise die vom CCC analysierte Software.

Computerexperten äußern Zweifel, inwiefern eine Überwachungssoftware überhaupt so ausgestaltet werden kann, dass sie schon rein technisch nur in den Grenzen des vom Bundesverfassungsgericht Erlaubten arbeitet. Dann jedoch muss die Kontrolle durch Menschen umso besser funktionieren. Es scheint, als hätten in den bekannt gewordenen Fällen die technischen und menschlichen Kontrollen versagt. Deshalb muss meiner Meinung nach auf „Staatstrojaner“ mindestens so lange verzichtet werden, bis es Prozesse gibt, die einen Missbrauch sicher ausschließen. Dabei darf die Frage, ob ein „Staatstrojaner“ sicher und verfassungsfest ist, nicht zwischen Softwareunternehmen und den sie beauftragenden Behörden ausgemacht werden. Die Produkte müssen unabhängig überprüft werden. Es ist ein Unding, dass es den CCC dazu brauchte, für diese Überprüfung zu sorgen.


Ich meine: Der Sachverhalt muss vollständig aufgeklärt werden und wir benötigen eine klare Positionierung der Bundesregierung. Außerdem muss sie die Öffentlichkeit unverzüglich und lückenlos darüber informieren, von wem der „Bundestrojaner“ zu welchem Zweck eingesetzt wurde, wer die finanziellen Ressourcen hierfür zur Verfügung gestellt hat und wer die politische Verantwortung für den Einsatz trägt.

Erschienen als "Bericht aus Berlin" in der Eckernförder Zeitung vom 19.10.2011

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