2. Juli 2013
Bundespolitik
SPD Juristen: „Kein rechtlicher Sonderstatus für Geheimdienste“
Kein Datenschutz erster und zweiter Klasse: Zu den jüngsten Enthüllungen über die Tätigkeit US-amerikanischer Geheimdienste gegen Europa, insbesondere Deutschland und andere befreundete Staaten erklärt Harald Baumann-Hasske, kommissarischer Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ) und Präsident des Netzwerkes Europäischer Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (EUSONET): „Das skandalöse Verhalten der US-Geheimdienste, alle Daten, derer sie technisch habhaft werden können, zu analysieren und sogar die Botschaften befreundeter Staaten abzuhören, offenbart ein falsches Sicherheitsdenken – und so denken nicht nur amerikanische Politiker.“
Dieser Skandal sollte als ein wichtiges Alarmsignal verstanden werden: Der globale Terrorismus und der Krieg gegen den Terror haben die globale Gesellschaft und ihre Verantwortlichen in Politik und Behörden in einen krankhaften Angstzustand versetzt. Dieser hindert sie daran, Normalbürger von Kriminellen oder Freunde von Feinden zu unterscheiden. Es gilt eine Umkehr der rechtsstaatlichen Prinzipien: Bis zum Beweis des Gegenteils gilt jeder Bürger als potenzieller Krimineller, jeder Freund oder befreundete Staat als potenzieller Feind.
Dabei sind diese Verhaltensweisen von Geheimdiensten, insbesondere der NSA, nicht neu: Schon in Zeiten des kalten Krieges vor 1990 war das Abhör- und Analysesystem „Echelon“ bekannt, mit dem die NSA und ihre Parallel- und Vorgängerorganisationen alles abhörten und auswerteten, was technisch erreichbar war. Die neue Qualität entsteht dadurch, dass sich „Prism“ und „Tempora“ direkt und indirekt auch gegen Bürgerinnen und Bürger der USA und Großbritanniens richten und damit deren verfassungsmäßige Rechte verletzen. Eine besondere Brisanz entsteht dadurch, dass offensichtlich die Botschaften befreundeter Staaten und der EU abgehört und überwacht werden, wie dies gegenüber feindlichen Staaten im kalten Krieg üblich war.
Erste Hinweise aus den USA lassen allerdings darauf schließen, dass sich europäische und auch deutsche Geheimdienste ähnlich verhalten – möglicherweise, ohne dabei die Botschaften befreundeter Staaten abzuhören. Es scheint international und national ein Klima des Misstrauens entstanden zu sein, das, wenn es weiter wächst, geeignet wäre, Demokratie und Freiheitsrechte ernsthaft zu gefährden.
Gegen diese geheimdienstlichen Auswüchse hilft nur eine Medizin: Rechtsstaatlichkeit, die Vertrauen neu begründet. Dazu benötigen wir neue internationale Abkommen unter den demokratischen Staaten, die für Fehlverhalten auch Sanktionen vorsehen. Feindlich kann nur sein, wer daran nicht teilnimmt. Es darf in Zukunft keine rechtsfreien Räume geben, für niemanden. Menschenrechte und Datenschutz müssen überall für und gegen jeden gelten. Weder in den USA, noch in anderen Staaten darf es eine Behandlung von Menschen durch den Staat geben, die nicht der Überprüfung durch nationale und internationale Gerichte unterliegt. Auch Geheimdienste müssen an Recht und Gesetz gebunden sein. Ein wichtiges Kriterium für die wirtschaftliche, kulturelle und rechtliche Zusammenarbeit von Staaten muss sein, dass sie die Bürgerinnen und Bürger der anderen grundsätzlich nicht anders oder gar schlechter behandeln als die eigenen. Es darf keine Freibriefe von Regierungen für eigene Geheimdienste geben, die nicht einer rechtlichen Überprüfung, national und international, zugänglich sind.