Arbeitskreis Digitale Gesellschaft

SPD Schleswig-Holstein

21. November 2013

Schleswig-Holstein
VDS: „Wer Missbrauch hochsensibler Daten verhindern möchte, sollte sie erst gar nicht sammeln“

Kai Dolgner
Kai Dolgner

Im Landtag wurde heute über die Vorratsdatenspeicherung diskutiert. Anlass war der Antrag „Vorratsdatenspeicherung stoppen!“ der Fraktion der PIRATEN, SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und der Abgeordneten des SSW (Drucksache 18/1285(neu)), der im Wortlaut der Formulierung aus dem Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und dem SSW entspricht: „Die Vorratsdatenspeicherung ist ein hochproblematischer Eingriff in die Grundrechte. Deshalb werden wir uns auf Europa- und Bundesebene im Bundesrat und der Innenministerkonferenz gegen jede Form der Vorratsdatenspeicherung einsetzen.“

Für die Fraktion der SPD sprach ihr netzpolitischer Sprecher Kai Dolgner:

„Zunächst einmal möchte ich mich bei den Piraten bedanken, dass Sie wieder einmal einen Teil unseres Koalitionsvertrages zur Abstimmung stellen. Ich kann hier ganz piratig erklären: Wir verzichten gerne auf unser Urheberrecht, nur zu! Sie haben noch ca. 2.500 Zeilen zum Kopieren übrig.

Ich möchte aber die Gelegenheit nutzen, unabhängig vom Für und Wider der einzelnen Maßnahmen, die unter dem Sammelbegriff „Vorratsdatenspeicherung“ firmieren, nochmal ein grundsätzliches Problem von Datensammlungen hervorzuheben, das mir in der ganzen Debatte etwas zu kurz kommt. Wer Daten massenhaft, anlass- und lückenlos erhebt, muss auch immer einkalkulieren, was passiert, wenn diese Datensammlung in falsche Hände gerät.

Und dieses Problem ist älter als die vernetzte Welt. Das sicher dramatischste und bekannteste Beispiel ist die per Lochkartensystem erfasste Religionszugehörigkeit bei der Volkszählung 1936 in den Niederlanden und deren schreckliche Folgen für die jüdische Bevölkerung während der deutschen Besatzung. Dies soll jetzt keine völlig unangebrachten historische Parallelen ziehen, aber Sensibilität aus den Lehren der Vergangenheit ist trotzdem angebracht.

Datensammeln ist aber auch gefährlich, wenn es durch einen Rechtsstaat, der idealerweise die Grundrechte seiner Bürger schützt, passiert. Kein noch so guter Staat kann garantieren, dass Unbefugte sich nicht seiner Datensammlungen bemächtigen. Durch Bradley Manning und Edward Snowden hätte das die Regierung der USA lernen können. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Militär- bzw. Geheimdienstakten zur Veröffentlichung bestimmt waren.

Nun mag es in der Abwägung noch angehen, dass wir zentral erfassen und speichern, wer der Halter welches Fahrzeugs ist, und dieses mit einem pseudonymen Nummernschild kenntlich machen. Auch wenn man alleine aus diesen Daten schon Rückschlüsse über z.B. die Vermögensverhältnisse ziehen kann.

Wer aber an den Mautbrücken erfasst und speichert, wer wann wo gewesen ist, sammelt Daten, mit denen Menschen z.B. erpressbar sind. Das halten Sie für weit hergeholt? Vielleicht ist der Halter dort unterwegs, wovon seine Partnerin nichts wissen soll? Wie viel ist Ihnen Ihre Ehe wert?

Erpressbar ist man auch mit Daten, die nichts mit Straftaten zu tun haben. Das kann der Besuch eines Psychiaters, persönliche Schulden, Suchtproblematik, eine versteckte Beziehung oder eine schwere Krankheit sein. Ja selbst eine lästerliche SMS über einen Kabinettskollegen oder einen engen Mitarbeiter birgt das Potential, großen Schaden anzurichten.

Ich biete Ihnen einen Service an. Geben Sie mir doch mal Ihr e-mail- und ihr Handy-Passwort und ich finde mit großer Sicherheit Informationen, die Sie nicht auf Facebook finden wollen. Schon der FBI-Direktor J. Edgar Hoover wusste, dass Informationen eine ungeheure Macht darstellen, und hatte deshalb große Teile der amerikanischen Regierung in der Hand.

Was glauben Sie, warum sich die NSA für Merkels Handy interessiert? Terrorbekämpfung? Vermutlich glaubt das nicht mal mehr Pofalla. Wenn sich die Menschen aber nicht sicher sein können, dass ihre Parlamente und Regierungen nicht erpressbar sind, dann ist das der Anfang vom Ende der Demokratie.

Und es gibt durchaus erheblich unappetitlichere Geheimdienste und andere Regierungen auf der Welt als die NSA und die USA. Und die freuen sich schon auf die immer neue Überwachungsinfrastruktur, die die Provider installieren sollen, denn das sind ideale Angriffspunkte, um Informationen von uns allen abzugreifen. Ich würde mich sehr freuen, wenn dieses auch die Mehrheit des Europäischen Parlaments endlich begreifen und die entsprechende Richtlinie verändern würde. Denn wer den Missbrauch von hochsensiblen Daten verhindern möchte, sollte sie erst gar nicht sammeln.“

Steffen Voß

Mitglied des Arbeitskreises Digitale Gesellschaft der SPD Schleswig-Holstein.

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