Arbeitskreis Digitale Gesellschaft

SPD Schleswig-Holstein

15. Mai 2014

NSA-Überwachungsskandal
NSA-Skandal: Auf neue Realitäten muss man reagieren, jammern hilft nicht!

Kai Dolgner, MdL
Kai Dolgner | Foto: Steffen Voß, CC-BY-SA

Im März hatte der europäische Parlament einer Entschließung zum Spähangriff der USA auf die EU-Mitgliedsstaaten zugestimmt. Die Fraktion der Piratenpartei hatte daraufhin beantragt, dass sich die Landesregierung für ein zwischenstaatliches Beschwerdeverfahren gegen die USA und das Vereinigte Königreich einsetzt. Dieser Antrag stand heute auf der Tagesordnung des Landtags.

Für die Fraktion der SPD hat ihr netzpolitischer Sprecher, Kai Dolgner gesprochen:

Die Entschließung des Europäischen Parlaments enthält 135 Punkte zu den Konsequenzen aus der NSA-Affäre. Leider hat sich die Piratenfraktion ausgerechnet einen der schwächsten und wirkungslosesten herausgesucht: das zwischenstaatliche Beschwerdeverfahren des UN-Zivilpaktes, dem interessanterweise übrigens auch solche anerkannten Grundrechtsexperten wie Usbekistan, Syrien und sogar Nordkorea angehören.

Und wie läuft das Artikel-41-Beschwerdeverfahren so ab? Wenn sich die Vertragsstaaten nicht einig werden, dann gibt es nach ein bis zwei Jahren eine wirklich scharfe Sanktion: Der zuständige UN-Menschenrechtsausschuss macht einen Bericht. Das mag dann auch erklären, warum selbst Nordkorea kein Problem mit dem Beitritt hatte.

Nun brauchen wir hier aber gar nicht so lange zu warten, denn der UNO-Menschenrechtsausschuss hat bereits am 26. März von sich aus die Praxis der NSA scharf verurteilt. Und was haben die USA dazu gesagt? Nach ihrer Auffassung entfaltet der UN-Zivilpakt sowieso keinerlei Bindungswirkung für das Handeln der USA außerhalb ihres Territoriums. Das ist nicht neu, das ist die Standardantwort der USA seit 1995 z.B. bezüglich Guantánamos. Damit ist dieser Punkt des Piratenantrages nicht nur wirkungslos, die Massenüberwachung auf diesem Wege stoppen zu wollen, er hat sich auch erledigt.

Auch die sonstigen diplomatischen Bemühungen sind ja wenig von Erfolg gekrönt gewesen. Der Fragenkatalog der Bundesregierung aus dem letzten Herbst ist nach wie vor unbeantwortet und wenn es Äußerungen gab, dann fielen sie in die Kategorie: „Heult doch!“.

Warum soll eigentlich eine Beschwerde nur gegen die USA eingereicht werden? Es gibt unter den 165 anderen Staaten genügend, die uns ebenfalls ausspähen, wie z.B. Russland, dem ich nun wahrlich keinen größeren Respekt vor unseren Grundrechten zutraue als den USA.

Interessanterweise könnte sich übrigens gerade Nordkorea mit dem gleichen Argument über uns beschweren, hat der BND doch 2011 beklagt, dass die „nachrichtendienstliche Beschaffungslage extrem schwierig“ sei. Da wir also selbst fleißig spionieren, hat das durchaus auch eine heuchlerische Komponente.

Für mich gibt es dank Edward Snowden zwei wichtige Erkenntnisse:

  1. Durch den technischen Fortschritt ist eine Massenüberwachung ungeahnten Ausmaßes möglich und das nicht nur durch die USA
  2. Die USA sehen uns als lohnenswertes Spionageziel wie fast alle anderen Länder auch. Es gibt da keinen transatlantischen Freundschaftsbonus, der unsere Bürger vor Ausspähung schützt und es wird ihn auch nicht geben. Und was würde er auch nützen? Ich finde meine persönlichen Daten in China auch nicht besser aufgehoben.

Besser wäre es, geeignete Gegenmaßnahmen einzuleiten, die unsere Bürger besser schützen, und da enthalten die restlichen 134 Punkte des Beschlusses des Europäischen Parlaments viele gute Anregungen und Selbstverpflichtungen, wie zum Beispiel

  • zukünftig keine widerrechtlich gesammelten Daten von Drittstaaten mehr anzunehmen
  • keine SWIFT-Daten oder Daten gemäß Safe-Harbour in die USA zu übermitteln
  • die Zustimmung zu TTIP zu verweigern, wenn die Grundrechte nicht geschützt sind
  • IT Soft- und Hardware sicher machen gegen Angriffe von außen und eingebaute Backdoors, Verwendung quelloffener Software und Verschlüsselung
  • die Einführung eines digitalen Habeas Corpus.

Angesichts der gestrigen eCall-Diskussion ist allerdings die Forderung Nr. 62 nach Produkten mit eingebautem Datenschutz (privacy by design) von unfreiwilliger Komik. Auch das EU-Parlament sollte vielleicht zunächst mal seine eigenen Beschlüsse ernst nehmen.

Edward Snowden hat uns das Update für unsere Wahrnehmung geliefert. Unser Handeln müssen wir selbst updaten. Damit können wir im Europaausschuss und mitberatend im Innen- und Rechtsausschuss anfangen.

Steffen Voß

Mitglied des Arbeitskreises Digitale Gesellschaft der SPD Schleswig-Holstein.

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