14. November 2014
NSA-Überwachungsskandal
Sicherer Aufenthalt für Edward Snowden in Deutschland?
- Kai Dolgner | Foto: Steffen Voß, CC-BY-SA
Der Landtag in Kiel hat heute über die Möglichkeiten für einen sicheren Aufenthalt für den US-amerikanischen Whistleblower Edward Snowden in Deutschland diskutiert. Die Fraktion der Piratenpartei hatte einen entsprechenden Antrag gestellt. Die Koalition aus SPD, Grünen und SSW hatte dazu einen eigenen Antrag gestellt. Für die SPD sprach der Abgeordnete Kai Dolgner.
In seiner Rede sagte Kai Dolgner:
„Der Fall Edward Snowden und die Recherche unabhängiger Medien hat vieles offenbart. Nicht nur, dass es eine Illusion gewesen ist, dass wir einen Verbündetenbonus für die amerikanischen Geheimdienste hätten. Nein, das Informationsbedürfnis der Geheimdienste ist im wahrsten Sinne des Wortes grenzenlos. Offenbar war es für den Kampf gegen den Terror notwendig, selbst das Handy der Kanzlerin abzuhören.
Heute beschäftigen wir uns aber mit einer anderen Herausforderung. Was passiert eigentlich mit dem Menschen, dessen Mut uns überhaupt in die Lage versetzt hat, ein realistischeres Bild der geheimdienstlichen Tätigkeit auch des demokratischen Teils der Welt zu gewinnen? Hier werden viele Schwächen offenbar. Zu einem müssen wir feststellen, dass unser Asylrecht immer noch auf den von einer Diktatur politisch Verfolgten abstellt, wie Willy Brandt oder Jakob Kaiser. Das ist aus den Erfahrungen, die in das Grundgesetz eingeflossen sind, historisch verständlich, für die Herausforderungen in der heutigen Zeit reicht das nicht aus. Denn Edward Snowden wird nicht von einer Diktatur verfolgt und auch nicht wegen politischer Äußerungen, sondern wegen Straftaten, die auch bei uns Straftaten sind. Und zudem kann man Asyl nur beantragen, wenn man sich schon in dem Staat befindet.
Auch hier wird deutlich, dass unser Asylrecht keinen Schutz für Whistleblower bietet, so wie wir auch in anderen Bereichen Probleme mit dem wirksamen Schutz von Whistleblowern haben, die zwar der Gesellschaft häufig unschätzbare Dienste erweisen, die sie dann aber mit den häufig damit verbundenen zivil- und strafrechtlichen Konsequenzen alleine lässt. Ist Ihnen eigentlich schon mal aufgefallen, dass es keine positive allgemeinverständliche deutsche Übersetzung für Whistleblower gibt?
Edward Snowden, der ausgerechnet in Russland Asyl findet, das sich eher in Richtung Autokratie entwickelt, hilft das alles nichts. Und auch wenn ich bezweifle, dass sich die bisherige Haltung des Kanzleramtes nach einem Landtagsantrag aus Schleswig-Holstein ändern wird, so sollten wir doch gemeinsam einen Antrag beschließen. Hierbei sollten wir auch unsere Hilfe anbieten, falls Herr Snowden in ein anderes europäisches Land möchte, das ihm vielleicht auch einen weniger problematischen Aufenthaltsstatus bieten kann, wenn er es denn möchte, denn bei uns gibt es ein Auslieferungsabkommen. Und auch die ungeklärte Frage der Gültigkeit des Artikels VII des Nato-Truppenstatuts gibt es nicht in jedem Land. Weshalb die Piraten damit Probleme haben, erschließt sich uns nicht, schließlich hat Snowden insgesamt über 20 Asylanträge gestellt; warum kommt für Sie nur Deutschland in Frage?
Ich glaube übrigens, dass unsere Freundschaft mit den USA auch ein permanenter Aufenthalt von Edward Snowden aushalten kann wie das Abhören des Kanzlerinnenhandys, oder auch die Nichtteilnahme am Irak-Krieg, den übrigens inzwischen der US-Präsident für einen Fehler hält, oder auch die diversen Beispiele für Nichtauslieferungen anderer europäischer Länder, wie bei Roman Polanski aus Polen Ende letzten Monats.
Ich habe auch nie verstanden, warum die Nichtauslieferung die Freundschaft mit den USA gefährden soll. Was ist denn der größere Skandal? Die massenhafte illegale Überwachung der deutschen Bürgerinnen und Bürger oder dass wir denjenigen, der das aufdeckt, nicht in die USA ausliefern? Also, ich finde immer noch, Freundschaften pflegt man auf Augenhöhe, alles andere nennt sich Abhängigkeit. Das war bisher nicht mein Bild unseres Verhältnisses zu den USA.“
Im Anschluss an die Debatte, hat der Landtag den Koalitionsantrag beschlossen.
Der AK Digitale Gesellschaft hatte im September auf dem SPD-Landesparteitag einen ähnlichen Antrag nach Vorbild der Bremischen Bürgerschaft gestellt und gleichfalls einen sicheren Aufenthalt für Edward Snowden gefordert. Aus zeitlichen Gründen wurde dieser Antrag an den Landesparteirat überwiesen, der nun am 29. November darüber beraten will. Eine wichtiger weiterer Aspekt des Antrags ist die Forderung nach mehr Transparenz bei der Arbeit der Geheimdienste.