9. September 2015
Surftipp
Das Internet zerschlagen!
- Jennifer Granick | Bestimmte Rechte vorbehalten von stanfordcis
„In den nächsten 20 Jahren müssen wir bereit sein, das Internet zu zerschlagen und etwas Neues und Besseres zu errichten“, sagte die US-Anwältin Jennifer Granick in ihrer Rede auf der Konferenz Black Hat US 2015. Nicht nur aus dem Grund, weil sie seit Jahren als Anwältin der Hacker tätig ist, ließ sie diese Worte vermelden. Zu ihrer „Kundschaft“ gehören solche Größen der Szene, wie Mike Lynn, den sie im Prozess gegen Cisco und seinen ehemaligen Arbeitgeber ISS verteidigte, nachdem er auf der Black Hat einen Vortrag über die Sicherheitslücken in Internetroutern präsentierte. Cisco und sein Arbeitgeber hatten dies zuvor verboten.
„Vor 20 Jahren war ich Strafverteidigerin und ich erfuhr, dass Hacker für Tricks Ärger bekamen, die ich eigentlich ganz cool fand. Als Gefängnisanwältin beim Sheriffs Department in San Francisco habe ich einen Typen vertreten, dem 6 Monate Gefängnis dafür drohten, dass er eine Telefonzelle überlistet und dadurch kostenlos nach Hause telefoniert hat. Bei meinen Recherchen für diesen Fall fand ich heraus, dass es viele Gesetze gibt, mit denen Hacker in Konflikt geraten könnten und dass ich hier helfen könnte.“*
Granick glaubte an die Hackerethik. Und sie glaubte, „dass der Traum von der Freiheit des Internets eines Tages wahr werden würde“. Und doch sagt sie heute, dass das Internet zerschlagen werden sollte, weil aus ihm zunehmend ein „auf Hochglanz getrimmtes, steifes, kontrolliertes und geschlossenes Etwas“ wird.
„Auf dem Schlachtfeld der Zukunft kämpfen die Mächtigen um Sicherheit auf Kosten der anderen. Die US-Regierung spricht von ‚Cyber‘-Sicherheit. Wenn ich ‚Cyber‘ höre, dann klingt das für mich nach einer Abkürzung für die Dominanz im Internet. Oder wie es General Michael Hayden einmal formuliert hat: Die USA wollen sicherstellen, dass sie zu allem Zugang haben und ihre Feinde nicht. Sicherheit für mich, aber nicht für meinen Nächsten. Klingt das nach einem offenen, freien, robusten, weltweiten Internet?“
Und wenn es so weitergeht, appelliert Granick, wenn man nichts dagegen unternimmt, dass die Sicherheit zum Instrument der Mächtigen und das Netz zum Mittel der Kontrolle wird, dann wird der Traum vom Internet zu Ende sein.
„Wir müssen die Dezentralisierung überall vorantreiben, wo es geht: Alle Macht dem Volk! Und mit starker Ende-zu-Ende-Verschlüsselung können wir anfangen, die Machtbalance zwischen Technologie, Recht und Menschenrechten wiederherzustellen“.
Auch wenn es heißt, nochmals von vorn anzufangen und in den nächsten 20 Jahren „die Technologie für die nächste Runde im Lebenszyklus der Revolution [zu] erfinden“. Hacker zu sein bedeutet harte Arbeit. Nun, auch das ist Demokratie.
Links
- *Deutsche Übersetzung mit Kommentar: „Der Internet-Traum stirbt“
- Video der Rede: „The End of the Internet Dream”