Arbeitskreis Digitale Gesellschaft

SPD Schleswig-Holstein

21. Oktober 2015

Buchtipp
Es heischt nach Like

Foto: Ben Mortimer - CC BY 2.0

„Heute befinden wir uns insofern in einer Krise des Schönen, als das Schöne zu einem Objekt des Gefallens, des Like, zum Beliebigen und Behaglichen geglättet wird. Errettung des Schönen ist Errettung des Verbindlichen“, schreibt Byung-Chul Han in seinem aktuellen Essay Die Errettung des Schönen.

Es sei die „Glattheit“, die Transparenz und das Unverhüllte, die das Naturschöne dem Digitalschönen entgegensetzt, konstatiert Han. Im Digitalschönen sei die Negativität gänzlich aufgehoben. Das Digitalschöne bilde einen glatten Raum des Gleichen: „Sein Signum ist das negativitätslose Wohlgefallen, nämlich das Gefällt-mir“, es lasse keine Fremdheit und keine Alterität zu. Und wo das Gleiche auf das Gleiche reagiert, erreiche die Kommunikation ihre höchste Geschwindigkeit, so Han. Die Positivität „beschleunigt die Kreisläufe von Information, Kommunikation und Kapital“. Wie kein anderes Phänomen verkörpert Facebook das Fehlen der Widerständigkeit. „Facebook ist ein Markt der Charakterlosigkeit“, denn je charakter- und gestaltloser, je glatter, je aalglatter man sei, desto mehr Friends hat man. Das sei jedoch keine Eigenart der neuen Sharing-Economy. Nicht nur Beständigkeit sei dem Konsum nicht zuträglich, beobachtet Han, „der ideale Konsument ist ein Mensch ohne Charakter“.

Deshalb betrachtet Han die Information als „eine pornographische Form des Wissens“. Wissen müsse nicht selten gegen Widerstand errungen werden, der Information fehle die „Innerlichkeit“, die das Wissen auszeichne. Zwar würde der „Dataismus“ die zweite Aufklärung einleiten, der Mensch vermessen, und aus dem Datenhaufen wie Big Data würden sich nützliche Informationen herausdestillieren lassen, „aber sie generieren weder Erkenntnis noch Wahrheit“. „Das von Chris Anderson beschworene ‚Ende der Theorie‘, das diese komplett durch Daten ersetzt, bedeutet das Ende der Wahrheit, das Ende der Narration, das Ende des Geistes“, so Han. „Die Wahrheit ist die Gegenfigur des ‚Haufens‘“.

Während sich das Digitalschöne immer weiter vom Naturschönen entfernt, wird nicht nur das Schöne, sondern auch noch das Hässliche glatt. Das Hässliche verliere die Negativität des Diabolischen, des Unheimlichen und Schrecklichen, „wird zur Konsum- und Genussformel geglättet“. Das Ekelhafte, das Verwesende sei das Nichtkonsumierbare schlechthin, schreibt Han, doch heute „beutet die Unterhaltungsindustrie das Hässliche, das Ekelhafte aus“ und mache sie konsumierbar.

An dieser Stelle sei an die Worte erinnert, die der Ökonom John Maynard Keynes im Jahr 1928, mitten in der Wirtschaftskrise, schrieb: „Für wenigstens noch einmal hundert Jahre müssen wir uns selbst und allen anderen vormachen, dass das Anständige widerlich und das Widerliche anständig ist; denn das Widerliche ist nützlich, das Anständige ist es nicht. Geiz, Wucher und Vorsicht müssen für eine kleine Weile noch unsere Götter bleiben. Denn nur sie können uns aus dem Tunnel der wirtschaftlichen Notwendigkeit ans Tageslicht führen.“

Willkommen in der neuen Welt der Friends, Likes, Zombies und Untoten. Sie ist nicht schön. Aber glatt. Und vor allem: Es ist ein prima Geschäft!

Byung-Chul Han. 2015. Die Errettung des Schönen. Frankfurt: S. Fischer Wissenschaft.

Aleksandra Sowa

Leitete zusammen mit dem deutschen Kryptologen Hans Dobbertin das Horst Görtz Institut für Sicherheit in der Informationstechnik. Dozentin, Fachbuchautorin (u.a. "Management der Informationssicherheit", "IT-Revision, IT-Audit und IT-Compliance"). Im Dietz-Verlag erschienen: "Digital Politics - so verändert das Netz die Politik". Hier äußert sie ihre private Meinung. #Foto by Mark Bollhorst (mark-bollhorst.de)

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