28. April 2015
#DigitalLeben
Grundrechte und Datenpolitik
- Morgens bei der Vorstellung der Sessions | Foto: Aleksandra Sowa
Um es gleich vorweg zu nehmen: Es geht! Inhaltliche und koordinierte Parteiarbeit braucht keine Tagesordnung, keine u-förmig angeordneten Sitzreihen, kein muffiges Hinterzimmer und auch keine klaren Hierarchien. Am 25.04.2015 fand eine kleine Minirevolution in der SPD statt. Der Entwurf eines Parteiprogramms für den kommenden Bundesparteitag sollte diskutiert werden. Auf einem SPD Barcamp. Ohne vorherige Richtungsweisung durch das Abarbeiten von TOP‘s oder vorgefertigten Schriftstücken. Die Parteibasis machte sich auf nach Berlin, um innovativ, konstruktiv und kritisch über Fragen und Antworten zur digitalen Veränderung unserer Gesellschaft zu sprechen.
Die Natur eines Barcamps bringt es mit sich, dass solche Veranstaltungen wie das Innere eines Überraschungseis sind. Man hat eine nicht definierbare Erwartung. Man schaut hinein und ist mehr oder weniger überrascht. Erst nach einer Weile wird man sich darüber klar, ob es sich gelohnt hat.
Für die drei Session an denen ich teilnehmen konnte kann ich sagen: Meine Erwartungen haben sich erfüllt und (!) es stellt sich so etwas wie Zufriedenheit darüber ein, einen Samstag auf dem Zug und in der Kalkscheune in Berlin verbracht zu haben.
Über eine der beiden Sessions hat bereits Steffen Voß hier gebloggt. Das Ergebnis der anderen Sessions (Grundrechtsschutz in der digitalen Gesellschaft mit Tina Winter und Dr. Thorsten Jobs vom AsJ/ Datensouveränität und informationelle Machtasymetrie mit mir) die sich thematisch hauptsächlich mit der Wirkung von Grundrechten in der Digitalen Gesellschaft beschäftigten, lassen sich folgende Ergebnisse knapp zusammenfassen:
- Die verfassungsrechtlich niedergelegten Grundrechte und Grundwerte gelten weiterhin in der Digitalen Gesellschaft. Es gehört zu den Schutzpflichten des Staates, nicht allein die Verletzung dieser Rechte zu unterlassen. Vielmehr hat er die aktiv wahrzunehmende Pflicht, die Inanspruchnahme dieser Rechte zu ermöglichen.
- Zu diesen Rechten zählen u.a. die Autonomie, Individualität, Handlungsfreiheit, Privatsphäre und die weiteren Persönlichkeitsrechte des Individuums. Auffassungen, wie das von der Post-Privacy Bewegungen propagierte Ende der Privatheit, wurden sehr kritisch gesehen. Niemand wollte von einem grundsätzlichen Wertewandel in der Form sprechen, dass die eben beschriebenen Rechte keine Geltung in der digitalen Gesellschaft beanspruchen können.
- Nicht nur das sogenannte Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch die technische Sicherheit der von uns genutzten Geräte muss der Staat beachten und schützen. Beide haben immerhin Verfassungsrang. Es wäre rechtlich unzureichend und im Übrigen nicht solidarisch, die oder den Einzelnen mit dieser Aufgabe sich selbst zu überlassen.
- Aber der Staat tritt nicht selten als derjenige auf, der maßlos und unverhältnismäßig in unsere Freiheitsrechte eingreift. Hier benötigen wir bessere Kontrollinstrumente, um Auswüchse zu verhindern. Neben der wirksamen Kontrolle z.B. der Geheimdienste durch parlamentarische Gremien, kann der Einsatz von Technik ebenfalls dazu geeignet sein, individuelle Freiheitsräume zu sichern.
- Wir haben daher über die Verschlüsselung von Kommunikation und Informationen gesprochen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vertraten recht einstimmig die Auffassung, dass die Verschlüsselung von Informationen ein Recht sei. Es ist notwendig, um die Vertraulichkeit der Kommunikation gegenüber Dritten zu schützen.
- Die Beachtung der klassischen, technischen Schutzziele wie Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit der Kommunikation sichert jedoch nicht nur individuelle Freiräume. Sie sind zudem eine Grundbedingung einer freiheitlich demokratischen Grundordnung, weil unbeobachtete Kommunikation und Informationsgewinnung notwendig für einen freien Diskurs in der Gesellschaft sind. Zuletzt sichert es aber auch die gesellschaftliche Akzeptanz zum Einsatz der Technologie. Werden Soziale Netzwerke, Videoplattformen, Online-Shops oder andere Soziale Medien zur Ausforschung der Persönlichkeit der Nutzerinnen und Nutzer missbraucht, werden diese zurückhaltend bis ablehnend reagieren. Das unbestreitbare positive Potential der digitalen Kommunikations- und Informationstechnologie für das Individuum und die Gesellschaft wird sich so nicht realisieren.
- Garant für die Umsetzung der oben genannten Forderungen kann letztlich nur der demokratische Staat und das ihn als Souverän tragende Volk sein. Eine andere neutrale, sämtliche Interessen ausgleichende „Instanz“ ist zurzeit nicht erkennbar. Denn wir haben festgestellt, dass global agierende Anbieter digitaler Dienste ihre monopolartige Stellung nicht selten ausnutzen und z.B. einseitig die Bedingungen des Umgangs mit personenbezogenen Daten vorgeben.
Selbstverständlich reicht ein Barcamp nicht aus, das komplexe Thema der Digitalisierung unserer Gesellschaft umfassend zu beleuchten. Jedoch zeigten sich sehr deutlich die Schwerpunkte der Diskussion, die fortgeführt werden muss. Es war daher etwas enttäuschend, dass – bis auf einen kurzen Auftritt von Yasmin Fahimi – kaum diejenigen Politikerinnen und Politiker das Barcamp besuchten, die mit der Erstellung des Programms befasst sind. Auch der Programmbeirat war lediglich mit drei der fast ein Dutzend zählenden Themenpaten vertreten. Schade!
Aber es muss ja nicht das letzte Barcamp gewesen sein. Denn eines muss hier ausdrücklich geschrieben werden: Die Organisation, Durchführung und Auswahl der Location war bestens. Ein dickes „Well done!“ und Dankeschön geht hiermit in die Richtung des Organisationsteams.