Arbeitskreis Digitale Gesellschaft

SPD Schleswig-Holstein

3. Februar 2011

Allgemein
Studie: Abgeordnete angeblich Facebook-faul

Laut einer Studie der TU Ilmenau setzen Deutsche Politiker kaum auf Wähleransprache via Facebook. Gerade Schleswig-Holstein sei besonders lahm: Nur 6 der aktuell 95 Abgeordneten nutzten hier Facebook. Ist Schläfrig-Holzbein immer noch "nichts weiter als ein Wurmfortsatz der Hamburger Lombardsbrücke"? Ein Faktencheck.

Leider ist die Studie der Ilmenauer nicht online zu finden. So kann man sich nur auf das stützen, was in der Pressemitteilung zu lesen ist. Nichtsdestotrotz, so stellen Anna Winkler und Markus Winkler auf wahl.de fest, wurden die knappen Erkenntnisse medial (Spiegel Online, Welt, Thüringer Allgemeine) willfährig weiterverbreitet. 

Tatsächlich hat das Landesblog erst kürzlich eine Inventur gemacht und ist dabei auf eine wesentlich höhere Anzahl Facebook-Nutzer unter den Mandatsträgern gestoßen. Die Zahl von 6 der Ilmenauer Wissenschaftler lässt sich nur erklären, wenn sie sich auf die Fan-Seiten beschränkt haben. Anna Winkler und Markus Winkler stellen dazu zu Recht fest:

"Über die kleinen Unterschiede, Vor- und Nachteile von Fan-Page, Politiker Fan-Page, Profil, alter Gruppe und neuer Gruppe kann man sich als "Social Media Berater / Experte / Consultant / Mentor" lange und intensiv streiten. In der Wahrnehmung der Nutzer ist eine Präsenz so gut wie die andere, solange sie überhaupt existiert."

Wenn da steht, "Gerade einmal ein Fünftel (22%) der Politiker reagiert auf Beiträge von Besuchern" wird leider nicht differenziert, ob die Benutzerkommentare überhaupt Reaktionen erforderten, ob vielleicht nicht zu reagieren die schlauere Reaktion war und zum Vergleich wie viel Prozent der normalen Benutzer auf Beiträge ihrer Freunde reagieren.

Meine Erfahrung ist da auch eine andere. Allerdings bezieht die sich nur auf SPD-Abgeordnete: Die meisten Abgeordneten, die bei Facebook sind, nutzen es wie die meisten Leute in einem ähnlichen Alter und in ähnlichen Lebensumständen. Und sie nutzen es mal mehr mal weniger – so wie es gerade passt. Was per direkter Nachricht abläuft kann man von außen nicht einmal sehen. Genauso, wie man nicht erkennen kann, was die Abgeordneten passiv bei Facebook machen. Für einige ist es auch eine interessante Nachrichtenquelle.

Das Internet verlockt dazu quantitative Untersuchungen durchzuführen. Alles ist zählbar – oft sogar automatisiert. Wahl.de ist dafür ja auch so ein Beispiel. Wahl.de versucht aber aus den Zahlen keine Aussagen abzuleiten. Es ist vielmehr ein Wegweiser durch das Netz. Für eine Studie, die etwas über das Kommunikationsverhalten von Personen aussagen will, sollten die Urheber vielleicht mal mit Linguisten über ihre Methoden sprechen.

[Update 3.2.2011, 18:30] Die Studie ist offenbar eine Bachelorarbeit und ist auf der Homepage des Prof. Schweiger zu finden. Aus ihr geht auch hervor, dass es sich tatsächlich nur um die Fan-Seiten handelt:

"Gegenstand der Analyse
sind ausschließlich offizielle Profilseiten von Bundes- und Landtagsabgeordneten,
die der Öffentlichkeitsarbeit und der Wähleransprache dienen. Private FacebookProfile der Abgeordneten fließen nicht in die Untersuchung ein, da bei diesen eine
vornehmlich private Nutzung unterstellt wird."

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