Arbeitskreis Digitale Gesellschaft

SPD Schleswig-Holstein

16. Februar 2012

Allgemein
Acta ad acta!

Zur aktuellen Diskussion um ACTA hält der Sprecher des Arbeitskreises „Digitale Gesellschaft“ der SPD Schleswig-Holstein, Sven Thomsen, fest:

„Das Abkommen zum Schutz des geistigen Eigentums (Anti-Counterfeiting Trade Agreement – ACTA, [1]) hat in den vergangenen Wochen für umfangreiche Diskussionen und Proteste gesorgt und ist von allen Organisationen abgelehnt und stark kritisiert worden, die sich ernsthaft für eine offene digitale Gesellschaft einsetzen.

ACTA ist kein Gesetz, das direkt in Deutschland oder einem anderen EU-Land gilt. Jedoch ist es ein Abkommen, welches eine weitreichende Richtungsentscheidung beinhält. Die Unterzeichner von ACTA sichern durch diesen völkerrechtlichen Vertrag zu, Rechteinhabern durch geeignete rechtliche Rahmenbedingungen eine weitestgehende Umsetzung ihrer Interessen zu ermöglichen.

Alle an der Diskussion Beteiligten sind sich einig, dass ein effektiver Schutz des geistigen Eigentums gewährleistet werden muss. Diese Schutzwirkung darf jedoch nicht dadurch erzielt werden, dass allein die Interessen der Rechteinhaber Bestandteil eines völkerrechtlichen Vertrages werden.

Die europäische Kommission und vor allem die Bundesregierung muss verhindern, dass

  • das Recht auf freie Meinungsäußerung,
  • die Pressefreiheit,
  • das Recht auf informationelle Selbsbestimmung,
  • das Recht auf einen fairen Prozess,
  • das Recht auf Bildung

und nicht zuletzt auch das Recht auf eine zuverlässige medizinische Versorgung und Ernährung
nicht einseitig zu Gunsten der Rechteinhaber geistigen Eigentums angepasst werden.

ACTA ist unter Bedingungen entstanden, die nicht mit den von der SPD Schleswig-Holstein angelegten Maßstäben einer „offenen Staatskunst“ (OpenGovernment) vereinbar sind. Dies ist kein gutes Regieren [5]. In den nicht öffentlich und teilweise unter Geheimhaltungsvereinbarungen geführten Verhandlungen ist seit 2008 ein Vertragswerk entstanden, das offiziell erst im Mai 2011 von der EU Kommission der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt wurde. Der EU-Rat hat diesen Vertrag im Dezember 2011 trotz massiver Kritik in einer nicht-öffentlichen Sitzung verabschiedet. Eine frühzeitige Einbeziehung der EU-Bürger hat nicht stattgefunden. Sowohl der Bundesrat [3] als auch das Europäische Parlament [4] haben dieses Vorgehen und die Inhalte des Vertrages mehrfach ungewöhnlich direkt kritisiert.

ACTA ist nicht klar formuliert. Vielfach finden sich nicht konkret fassbare Einschränkungen oder Erweiterungen. So wird teilweise sogar bei grundrechtsrelevanten Eingriffen mit Redewendungen wie „vernünftigen Ermessen“, „wo dies zweckdienlich erscheint“, „vernünftigerweise hätte wissen müssen“ oder „Vorliegen außergewöhnlicher Umstände“ gearbeitet. Diese würden bereits in einem einfachen zivilrechtlichen Vertrag keine Prüfung durch kritische Juristen bestehen, auch für einen völkerrechtlichen Vertrag sind diese Formulierungen denkbar ungeeignet. Obwohl vielfach nunmehr abgeschwächt vereinbart wird, das gewisse Rahmenbedingungen geschaffen werden „sollten“ oder „könnten“, legt dieser Vertrag immer noch eine Richtung für eine zukünftige Gesetzgebung fest. Unterzeichnende Staaten sollten sich im Klaren sein, dass ihre Gesetzgebung hiernach stets „im Geiste von ACTA“ erfolgen muss.

ACTA ist eine Gefahr für die von der SPD Schleswig-Holstein erwünschte offene, digitale Gesellschaft. Die Regelungen zur „Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums im digitalen Umfeld“ sind mit der Position der SPD Schleswig-Holstein zur Vorratsdatenspeicherung [6] nicht vereinbar. Die in ACTA aufgeführten Identifizierungspflichten für Diensteanbieter stellen einen Rückgriff auf Forderungen dar, die weder mit dem Telemediengesetz noch mit den Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts vereinbar sind.

ACTA ist noch nicht ausreichend geprüft. Die EU-Kommission hat zugesagt, eine Folgenabschätzung für ACTA zu erstellen und insbesondere darzustellen, warum ACTA nicht in bestehende Grundrechte eingreift. Dies liegt noch nicht vor. Eine Anhörung von unabhängigen Experten hat weder auf Bundesebene noch auf EU-Ebene stattgefunden.

ACTA berücksichtigt nicht die Bedürfnisse von Entwicklungs- und Schwellenländern. Die Bundesregierung hat explizit bestätigt [2], dass eine transparente Verhandlung innerhalb etablierter Strukturen der internationalen Gemeinschaft nicht stattgefunden hat. Die Verhandlungspartner hätten wegen der Interessensgegensätze zwischen Industrieländern und Schwellen- und Entwicklungsländern den Kreis der Verhandlungspartner bewusst begrenzt, um einen schnelleren Abschluss zu ermöglichen. Dieses Vorgehen ist nicht mit dem Grundverständnis der SPD zur internationalen Zusammenarbeit und einer Gleichberechtigung im Welthandel vereinbar.

Zusammenfassend empfiehlt der Arbeitskreis „Digitale Gesellschaft“ der SPD Schleswig-Holstein allen Beteiligten, den weiteren Fortgang von ACTA nicht zu unterstützen. Vielmehr sollten sich alle Beteiligten für eine Reform des Urheberrechts und des Patentrechts einsetzen, die in ausgewogener Balance zu den Grundrechten europäischer Bürger steht sowie geeignet ist, die aktuellen Chancen der digitalen Gesellschaft zu nutzen.“

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