25. November 2013
Schleswig-Holstein
JMStV: Kritikfähigkeit schärfen statt Inhalte sperren
- Peter Eichstädt MdL | Foto: Steffen Voß, CC BY-SA 2.0
In den vergangenen Monaten haben die Fraktionen der Piraten in Berlin, im Saarland, in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein Große Anfragen zur Zukunft des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) gestellt. In der vergangenen Woche hat nun der Landtag in Kiel über die Antwort der Landesregierung diskutiert. Für die SPD-Landtagsfraktion sprach ihr medienpolitische Sprecher PetPeter Eichstädtr setzte in seiner Rede auf verstärkte Anstrengungen in der Medienkompetenzförderung und warnte vor den restriktiven Auflagen, an denen der letzte Entwurf für einen Jugendmedienschutzstaatsvertrag gescheitert war. Damals hatte die SPD-Landtagsfraktion den Vertrag abgelehnt.
Peter Eichstädt sagte:
„Sinn und Ziel von Jugendmedienschutz ist es, Kinder und auch Jugendliche vor Inhalten zu schützen, die sie auf Grund ihres Alters und ihrer Entwicklung noch nicht verarbeiten können und die sie in ihrer Entwicklung beeinträchtigen können. Was das für Inhalte sein könnten, dazu fällt sicher jedem von uns etwas ein. Regeln zu finden, um Kinder und Jugendliche altersgemäß zu schützen, gelingt in Ansätzen vielleicht gerade noch im Hörfunk und im Fernsehen. Schon bei Print-Medien tun sich erste Fragen auf.
Richtig kompliziert wird dies bei dem Versuch, einen Jugendmedienschutzstaatsvertrag auf die Besonderheiten des Internets hin zu formulieren. Deshalb haben auch hier im Landtag viele aufgeatmet, als dieser Staatsvertrag im Dezember 2010 in Nordrhein-Westfalen gescheitert ist. Damit war die Chance gegeben, erneut über die Frage nachzudenken, wie wir Kindern und Jugendlichen den Umgang mit dem Internet wirksam schützend gestalten können.
Die Kritik damals war nach meiner Auffassung berechtigt. Die gewählten Mittel, Kinder und Jugendliche durch Sperren vor Inhalten im Internet zu schützen, waren und sind untauglich. Kennzeichnungen und Sperrrungen sind Maßnahmen, die insbesondere zwei Folgen haben würden:
Zum einen werden Eltern Sicherheiten suggeriert, die diese Schutzmaßnahmen einfach nicht gewährleisten können. Alterskennzeichnungen funktionieren lange nicht auf allen Geräten, vor allem meist nur eingeschränkt auf den bei Jugendlichen zunehmend beliebten Smartphones. Sie können außerdem technisch über Proxys umgangen werden. Zudem ist das Internet ein globales Medium mit globalen Inhaltsanbietern und auch globalen Nutzern. Und: Alle Kommunikation, die in Echtzeit erfolgt, kann von solchen Programmen nicht erfasst werden, und das betrifft vor allem das Internet, Auf Blogs und das Web 2.0 will ich hier gar nicht detailliert eingehen, die Probleme liegen auf der Hand.
Zum anderen bedeuten solche Maßnahmen gravierende Eingriffe in die Unabhängigkeit des Internets, da jede Kennzeichnung und Sperre natürlich auch potentiell geeignet ist, eine Zensur zu beinhalten. Auch dieser Aspekt wäre eine eigene Rede wert.
Die Fragen heute sind: Hat sich technisch seit Dezember 2010 etwas geändert? Wie kann ein wirksamer Jugendmedienschutz gewährleistet werden, der gleichzeitig die grundsätzliche Freiheit des Internets, die dieses Medium so revolutionär und einzigartig macht, auch weiterhin gewährleistet? Und das heißt: Keine Sperren, keine fragwürdigen Klassifizierungen.
Wirklichen Jugendmedienschutz können wir nicht durch technische Maßnahmen erreichen, sondern nur, wenn wir Kindern und Jugendlichen die Mechanismen des Internets deutlich machen, sie befähigen, Inhalte für sich zu bewerten und zu gewichten, Wahres von Unwahrem zu unterscheiden, ihre Kritikfähigkeit schärfen. Das bedeutet: Wirksamer Jugendmedienschutz ist nur mit der offensiven Vermittlung von Medienkompetenz zu erreichen.
Ich hoffe deshalb sehr, dass wir in den nächsten Jahren doch dazu kommen, dass auch in den Schulen die Medienkompetenz in bestimmten Jahrgängen ein eigenes Fach wird oder (ich weiß, dass meine Schulpolitiker jetzt zusammenzucken) es zumindest hierfür stärkere Verankerung in den Lehrplänen und der Lehrerausbildung findet.
Das Internet ist schon heute schon kein rechtsfreier Raum. Wir haben einen Jugendmedienschutzstaatsvertrag. Wir haben Gesetze, die natürlich genauso im Internet gelten und die auch durchgesetzt werden.
Niemand wird sich guten und wirksamen Ideen in den Weg stellen, wie Jugendliche und vor allen Dingen Kinder vor schädlichen Inhalten im Internet geschützt werden können. Klassifizierungen von Seiten, von Blogs und Web 2.0, verbunden mit Alterssperren oder Zeitsperren, zählen nicht dazu.
Natürlich kann man den Jugendmedienschutzstaatsvertrag novellieren. Dies sollte aber nur geschehen, wenn wirklich eine Perspektive da ist, wie man die damit verbundenen Ziele sinnvoll und wirksam erreichen kann. Diese sehen wir derzeit nicht.“