Arbeitskreis Digitale Gesellschaft

SPD Schleswig-Holstein

Kein Leistungsschutzrecht für Verleger

Anläss­lich der aktuellen Dis­kus­sion und der Pla­nung der Regie­rungs­ko­ali­tion aus CDU/​CSU und FDP auf Bun­des­ebene, das Leis­tungs­schutz­recht noch vor der Som­mer­pause ein­zu­füh­ren, posi­tio­niert sich der Arbeits­kreis „Digi­tale Gesell­schaft“ der SPD Schleswig-​Holstein wie folgt:

Der AK spricht sich gegen ein wett­be­werbs­recht­lich begrün­de­tes Leis­tungs­schutz­recht für Pres­se­ver­le­ger aus. Wir wol­len dage­gen prü­fen, ob ein urhe­ber­recht­lich begrün­de­tes Leis­tungs­schutz­recht für Jour­na­lis­ten die Stel­lung der ange­stell­ten und der frei­be­ruf­li­chen Jour­na­lis­ten gegen­über den Ver­la­gen und Such­ma­schi­nen­be­trei­bern stärkt.

Begrün­dung

Die Regie­rungs­ko­ali­tion im Bund hat mit Beschluss vom 5.3.2012 ein „Leis­tungs­schutz­recht für Pres­se­un­ter­neh­men“ beschlos­sen. Der Beschluss­text drückt sich vor einer kla­ren Aus­sage dazu, was die „geschützte Leis­tung“ aus­macht, und von wel­cher Art der recht­li­che Schutz sein soll. Es steht ledig­lich fest, dass nicht Jour­na­lis­ten, son­dern Pres­se­un­ter­neh­men geschützt wer­den sol­len. Jour­na­lis­ten sol­len ledig­lich in einer Weise an den Zusatz­er­lö­sen betei­ligt wer­den, die mehr oder min­der im Belie­ben der Pres­se­ver­le­ger steht.

Wir hal­ten dazu fest:

I. Unsere Rechts­ord­nung sieht die Erfin­dung belie­bi­ger Leis­tungs­schutz­rechte durch den Gesetz­ge­ber nicht vor. Statt belie­bi­ger Leis­tungs­schutz­rechte kennt unsere markt­wirt­schaft­li­che Wett­be­werbs­ord­nung regel­mä­ßig nur urhe­ber­recht­li­che und nur aus­nahms­weise wett­be­werbs­recht­li­che Leis­tungs­schutz­rechte. Das von der Regie­rungs­ko­ali­tion geplante Leis­tungs­schutz­recht für Pres­se­ver­le­ger ist aber sach­lich kein urhe­ber­recht­li­ches son­dern ein wett­be­werbs­recht­li­ches Leis­tungs­schutz­recht: Denn es soll für alle über­mit­tel­ten Pres­s­ein­halte gel­ten, unab­hän­gig davon, ob diese Pres­s­ein­halte selbst einen Urhe­ber­schutz genie­ßen oder nicht.

Unsere Rechts­ord­nung sieht auch nicht vor, Leis­tungs­schutz­rech­ten belie­bige Inhalte zu geben. Her­kömm­lich ver­schaf­fen Leis­tungs­schutz­rechte ihrem Inha­ber das Recht, etwas zu ver­bie­ten. „Leis­tungs­schutz­recht­li­cher Ver­bots­an­spruch“ ist die Bezeich­nung dafür. Das geplante Leis­tungs­schutz­recht soll aber kein Ver­bots­recht ein­füh­ren, son­dern es soll einen Anspruch auf frem­des Geld ver­schaf­fen. Es ist ein „leis­tungs­schutz­recht­li­cher Entgeltanspruch“.

Leis­tungs­schutz­rechte auf der Grund­lage des Wett­be­werbs­rechts sind in unse­rer auf Wett­be­werb gegrün­de­ten Rechts­ord­nung ein Fremd­kör­per. Gegen frem­den Wett­be­werb gibt es nur ganz aus­nahms­weise recht­li­chen Schutz. Der besteht dann gewöhn­lich in Ver­bots­an­sprü­chen, nicht in Ent­gel­t­an­sprü­chen. Diese weni­gen Aus­nah­men betref­fen den Schutz für Daten­ban­ken als Gan­zes oder für Daten­bankt­eile und den Schutz vor „unlau­te­rem Wett­be­werb“, also den Schutz gegen kopie­rende Nach­ah­mung und den Schutz gegen unmit­tel­bare Leis­tungs­über­nahme („Aus­schlach­ten“ frem­der Leis­tung). Dage­gen sind Vorrang-​Rechte einer Wett­be­werbs­ord­nung fremd: Ältere Rechte frü­he­rer Anbie­ter, — mit Vor­rang gegen­über den jün­ge­ren Rech­ten spä­te­rer Anbie­ter — gibt es dort nicht.

Die aus­nahms­weise ver­bo­te­nen (weil: „unlau­te­ren“) Wett­be­werbs­wei­sen sind aber nicht das was Such­ma­schi­nen und News-​Aggregatoren tun. Such­ma­schi­nen und News-​Aggregatoren kopie­ren keine Daten­bankt­eile. Sie betrei­ben auch kein „unlau­te­res“ blo­ßes Kopie­ren oder Aus­schlach­ten einer frem­den Vor­leis­tung. Sie stif­ten mit der von ihnen geschaf­fe­nen Wei­ter­ver­brei­tungs­leis­tung eine Reich­wei­ten­ver­län­ge­rung, die auch dem ursprüng­li­chen Pres­se­pro­dukt zugute kommt. Die Art der Wei­ter­ver­brei­tung eröff­net zudem einen medienübergreifend-​systematisierenden Zugang und damit einen wei­te­ren eigen­stän­di­gen Mehrwert.

Dass es einen Rechts­schutz alter Geschäfts­mo­delle vor neuen Geschäfts­mo­del­len weder durch Wett­be­werbs­recht noch durch Urhe­ber­recht gibt, konn­ten die Ver­le­ger dem­ent­spre­chend bereits mehr­fach Gerichts­ur­tei­len ent­neh­men, etwa der „Paperboy“-Entscheidung des Bun­des­ge­richts­hofs von 2003: Dort hatte die Pres­se­such­ma­schine „Paper­boy“ tiefe Links (Links auf ein­zelne Pres­se­ar­ti­kel­sei­ten unter­halb der Haupt­seite eines Pres­se­un­ter­neh­mens) gesetzt, die nach der Absicht des Pres­se­un­ter­neh­mens nicht ein­zeln und direkt hät­ten ver­linkt wer­den sol­len. Der BGH hat aber erklärt, dass diese tiefe Ver­lin­kung weder wett­be­werbs­wid­rig noch urhe­ber­rechts­wid­rig ist, — (kein unzu­läs­si­ges Aus­schlach­ten einer frem­den Wett­be­werbs­leis­tung, keine unzu­läs­sige Kopie eines geschütz­ten Stoffs). Die tiefe Ver­lin­kung kann des­halb nicht per Gerichts­ur­teil ver­bo­ten wer­den. Die Paperboy-​Entscheidung des BGH (Urteil des I. Zivil­se­nats vom 17.7.2003 — I ZR 25900) fin­det sich hier, mit Pres­se­mit­tei­lung dazu hier.

Internet-​Dienstleistungen sind so wenig auf­zu­hal­ten wie vor 400 Jah­ren die Wind­mühle. Das hat nun auch der Teil der deut­schen Ver­le­ger­schaft ver­stan­den, der als Lobby hin­ter dem Gesetz­ge­bungs­vor­ha­ben steht, das der Beschluss vom 5.3.2012 auf den Weg brin­gen will. Dort strebt man des­halb nun (anders als noch 2003) keine Ver­bots­rechte mehr an. Statt­des­sen möchte man nun an der sys­te­ma­ti­sie­ren­den Wei­ter­ver­brei­tung des Zugriffs auf die eige­nen Internet-​Artikel durch Such­ma­schi­nen und ähn­li­che Dienste mit­ver­die­nen. Das ange­strebte leis­tungs­schutz­recht­li­che Ent­gelt für Pres­se­ver­le­ger ist das Instru­ment dafür. Sach­lich ist das ein Markt­pacht­zins, also ein Ent­gelt, das der Inha­ber eines alt­ein­ge­ses­se­nen Geschäfts­mo­dells von dem Betrei­ber eines neuen Geschäfts­mo­dells bekommt, weil das neue Geschäfts­mo­dell ohne das alte kei­nen Gegen­stand hätte. Eine sol­che Markt­pacht möchte der Teil der deut­schen Ver­le­ger­schaft, deren Lobby hin­ter die­sem Gesetz­ge­bungs­vor­ha­ben steht, in ein Gesetz geschrie­ben haben.

Ein sol­cher pres­se­sei­ti­ger Anspruch auf Marktpacht-​Erlöse aus frem­den Geschäfts­mo­del­len beschränkt aber die Rechte der Betrei­ber neuer Internet-​Geschäftsmodelle in ihren Erwerbs­rech­ten und ist ver­fas­sungs­wid­rig (Arti­kel 12 und 14 Grundgesetz).

Wer mit sei­ner Dienst­lei­tung die Reich­weite eines vor­han­de­nen Markt­an­ge­bots ver­grö­ßert, oder wer einen wei­te­ren und übergreifend-​systematisierenden Zugang zu ihm schafft, der muss dafür dem Anbie­ter des bereits vor­han­de­nen Ange­bots nie­mals etwas bezah­len. Sol­che feu­da­lis­ti­schen Aus­wüchse sind einer Wett­be­werbs­ord­nung fremd. Der Taxi­un­ter­neh­mer, der dem Aus­flugs­re­stau­rants die Gäste zufährt, muss dafür dem Betrei­ber des Restau­rants nichts bezah­len, — obwohl es ohne das Restau­rant keine Taxi­fahr­ten dort­hin gäbe.

Auch der Ver­le­ger des städ­ti­sche Muse­ums­füh­rers, der etwa zu mehr als einem Museum sys­te­ma­ti­sie­rende oder ver­glei­chende Aus­sa­gen ent­hält, muss dafür der Stadt als Betrei­be­rin der ein­zel­nen Museen nichts bezah­len, — obwohl der ver­glei­chende Muse­ums­füh­rer ohne die Viel­falt der städ­ti­schen Museen kei­nen ver­käuf­li­chen Inhalt hätte. Für Pres­se­ver­le­ger kann es da gegen­über Suchmaschinen-​Betreibern und News-​Aggregatoren keine feu­da­lis­ti­sche Extra­wurst geben.

Nach der Lösung, die der inter­es­sierte Teil der Ver­le­ger­schaft mit einem wett­be­werbs­recht­lich auf­set­zen­den Leis­tungs­schutz­recht anstrebt, hät­ten Ver­le­ger sogar dann Zah­lungs­an­sprü­che gegen Such­ma­schi­nen und News-​Aggregatoren, wenn der Pres­se­ar­ti­kel, auf den ver­linkt wird (oder: der aggre­giert wird), eine bloße Abschreibe-​Leistung aus freien Inhal­ten (wie etwa: der Wiki­pe­dia) wäre. Eine Rege­lung, die ein der­ar­ti­ges Geld­ver­die­nen mit dem blo­ßen Abschrei­ben freier Inhalte erlaubt, darf es nicht geben.

Don Quichotte konnte die Wind­mühle nicht auf­hal­ten. Wir fügen hinzu: Auch einen Anspruch auf Gewinn­be­tei­li­gung gegen den Wind­mül­ler hatte er nicht. Don Quichotte durfte aber gern eigene Wind­müh­len betrei­ben. Nur einen Rechts­an­spruch auf die unge­störte Fort­set­zung des Rit­ter­tums, — den hatte er nicht.

II. Natür­lich könnte die Bun­des­re­gie­rung einen ande­ren Beschluss fas­sen als den vom 5.3.2012. Sie könnte so für Pres­se­ar­ti­kel statt eines wett­be­werbs­recht­li­chen Leis­tungs­schutz­rechts für Ver­le­ger ein urhe­ber­recht­lich begrün­de­tes Leis­tungs­schutz­recht für Jour­na­lis­ten auf den Weg bringen.

Sie könnte so die ver­ein­zel­ten Text-​Produzenten vor den ver­mach­te­ten Oli­go­po­len des Text-​Handels schüt­zen, — was für den Bereich der Tex­tin­halte der ursprüng­li­che his­to­ri­sche Zweck des Urhe­ber­rechts ist.

Bis­her strei­ten sich zwei mäch­tige Betei­ligte auf der Stufe des Produkt-​Absatzes, — mit dem zweck­ent­frem­de­ten Werk­zeug „Leis­tungsschutz“, das eigent­lich dem in sei­ner Ver­ein­ze­lung Schutz­be­dürf­ti­gen zusteht, — das ist der Jour­na­list als der Produkt-​Hersteller. Mit einem urhe­ber­recht­lich begrün­de­ten Leis­tungs­schutz­recht für Jour­na­lis­ten ist das Werk­zeug wie­der bei dem, dem es für sei­nen Schutz wirk­lich zusteht.

Die­ses urhe­ber­recht­lich begrün­dete Leis­tungs­schutz­recht für Jour­na­lis­ten könnte aller­dings nur für sol­che Pres­s­ein­halte in Gel­tung gesetzt wer­den, die ein bestimm­tes Min­dest­ni­veau haben, so wie dies all­ge­mein den Regeln des urhe­ber­recht­lich begrün­de­ten Leis­tungs­schut­zes ent­spricht. Des­halb dürf­ten auch Inhalte, die von Jour­na­lis­ten bei freien Quel­len (wie der Wiki­pe­dia im Inter­net zum Bei­spiel) bloß abge­schrie­ben wur­den, eben­falls nicht ent­gelt­pflich­tig werden.

Bei einem sol­chen Leis­tungs­schutz­recht wären Ver­le­ger ledig­lich Ver­mitt­ler für Zusatz­er­löse, die nach Abzug einer sehr mäßi­gen Abwick­lungs­pro­vi­sion an die Jour­na­lis­ten wei­ter­zu­rei­chen wären. Diese Wei­ter­ver­mitt­lung von Zusatz­er­lö­sen müsste so orga­ni­siert sein, dass aus Jour­na­lis­ten­sicht jeder­zeit und ohne ein­zelne Rück­fra­gen beim Ver­le­ger trans­pa­rent ist, dass die finan­zi­elle Abwick­lung der Ver­le­ger gegen­über den Jour­na­lis­ten durch­gän­gig fair abläuft. Pau­schal­re­ge­lun­gen wären gänz­lich unzulässig.

Über Schutz kann man reden. Über Schutz für Schutz­be­dürf­tige. Über ein urhe­ber­recht­li­ches Leis­tungs­schutz­recht für Jour­na­lis­ten. Urhe­ber­recht­lich begrün­det. Und urhe­ber­recht­lich begrenzt. Keine Berech­ti­gung hat ein wett­be­werbs­recht­li­ches Leis­tungs­schutz­recht für Ver­le­ger. Wie­der ein Thema, das die Bun­des­re­gie­rung ent­deckt hat. Und dann verfehlt.