Gestern hat die FDP den Jugendmedienstaatsvertrag (JMStV) im Innen- und Rechtsauschuss des Kieler Landtages von der Tagesordnung nehmen lassen. Das Thema ist damit in Schleswig-Holstein weiterhin offen.
Gestern hatte die Landesregierung in einer Antwort auf eine kleine Anfrage erklärt, die eigene Internetpräsenz unter www.schleswig-holstein.de noch nicht auf die Anforderungen des neuen Jugendschutzes eingestellt zu haben. Die GRÜNEN fordern deswegen laut landesblog.de eine grundlegende Überarbeitung des Staatsvertrages.
SPD Fraktion gegen JMStV
Die SPD Fraktion hatte sich mehrfach sehr skeptisch geäußert. Zuletzt bekräftigte der Fraktionsvorsitzende Ralf Stegner diese Haltung via Twitter. Der medienpolitische Sprecher der Fraktion Peter EiPeter Eichstädten Jugendschutz in Zeiten des Internets vielmehr als Herausforderung für die Medienpädagogik. Das unterstrich die Fraktion mit einer Großen Anfrage zur "Medienkompetenz in der Informationsgesellschaft".
In der Legal Tribune bezeichnet der Autor Wolfram Sauer die Enquete Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" als "Kleine Revolutionen im Deutschen Bundestag". Die Kommission experimentiert, seiner Meinung nach, mit modernen Kommunikations- und Kollaborations-Tools und könnte Kern einer kleinen Revolution in der politischen Arbeit werden.
Die öffentliche Übertragung, die Begleitung bei Twitter, Facebook und in Blogs seien ein wichtiges, neues Kennzeichen der Enquete Kommission. Über ein eigenes Forum können Fragen von Außen direkt in die Gesprächsrunden gegeben werden.
Für genau so etwas ist eine Enquete Kommission da: Sie soll langfristige Lösungen für einen Mehrheit der Bevölkerung erarbeiten. Das besondere an dieser Kommission ist, dass sie einige Dinge die sie behandelt, selbst ausprobieren kann. Eine Enquete Kommission ist der ideale Experimentierraum dafür, weil er sie die Zusammenarbeit aller Parteien erfordert. Probleme oder Fehler in der Experimentierphase können nicht vom politischen Gegner ausgenutzt werden. Arbeitsweisen können nicht auf Grund dieser Fehler diskreditiert werden.
Wenn die Enquete Kommission auch nicht alle Fragen des Internets und der digitalen Gesellschaft klären kann, lässt sich doch hoffen, dass neue Partizipationsmöglichkeiten in Zukunft breiter eingesetzt werden.
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Im Rahmen der aktuellen Diskussionen um die Änderung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (14. Rundfunkänderungsstaatsvertrag) halten die Arbeitskreise "Digitale Gesellschaft“ des Landesverbands Schleswig-Holstein und des Ortsvereins Kieler Mitte der SPD fest:
Der aktuelle Entwurf des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags entspricht nicht den Vorstellungen des Arbeitskreises, einen effektiven Schutz von Kindern und Jugendlichen bei der Nutzung von Medien zu gewährleisten und ist mit den Grundwerten der SPD nicht vereinbar.
Die geplante Änderung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages darf in dieser Form nicht umgesetzt werden.
Der Arbeitskreis fordert alle am Entscheidungsprozess Beteiligten auf, den bestehenden Vertrag grundlegend zu überarbeiten.
Zweck des Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ist der effektive Schutz von Kindern und Jugendlichen bei der Nutzung von Medien jeder Art. Der Arbeitskreis teilt die Einschätzung aller Beteiligten, dass der Jugendschutz auch in der digitalen Gesellschaft angemessen und wirksam umgesetzt werden muss. Dies betrifft im Besonderen auch die neuen Medien. Gerade Jugendliche nutzen das Internet und seine vielfältigen Kommunikations- und Informationsstrukturen.
Der aktuelle Entwurf weist eine Vielzahl handwerklicher Mängel auf. Eine wesentliche Verbesserung des Jugendmedienschutzes wird nicht erreicht. Anbieter von Inhalten werden je nach Auslegung der im Vertrag getroffenen Regelungen erheblichen, unkalkulierbaren rechtlichen Risiken ausgesetzt.
Die geplanten Änderungen nutzen die Mittel der herkömmlichen Medien wie Fernsehen und Printmedien, um auch die neue Kommunikationskultur des Web 2.0 zu regulieren. Dabei missachtet der Entwurf die besondere Form der Informationsvermittlung. Diese ist dezentral und bidirektional. Nutzer sind gleichzeitig Produzenten von Informationen. Die Vielfalt der Kommunikationsarten bildet der Staatsvertrag nicht ab.
Die neue Fassung des Vertrags muss die validen Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge aus zahlreichen parlamentarischen Anhörungen und der intensiven medien-öffentlichen Diskussion berücksichtigen.
Der Arbeitskreis fordert alle Beteiligten auf, Regelungen zu treffen, die konkrete Vorgaben zur Altersverifikation und zur freiwilligen Selbstkontrolle vorsehen. Bei der Abwägung zwischen dem Schutz der Kinder und Jugendlichen und der Wahrung der Freiheit der Meinung, Presse und Kunst kann der Staat nicht auf die freien Kräfte des Marktes bei der Entwicklung von Schutzsystemen vertrauen. Er muss klare rechtliche Rahmen und technische Parameter vorgeben, die als Leitplanken für die notwendige Abwägung der widerstreitenden Interessen dienen.
Der Arbeitskreis regt an, die Regelungen zunächst ausschließlich für Angebote eines begrenzten Nutzerkreises verbindlich festzulegen. Erst nach einer einjährigen Erprobungsphase mit anschließender wissenschaftlich begleiteter Evaluation sollten die Regelungen nachfolgend auf sämtliche Medien-Anbieter angewendet werden. Außerdem müssen Befreiungstatbestände diskutiert werden, nach denen bestimmte Medienanbieter von der Verpflichtung der Umsetzung ausgenommen werden können.
Die Arbeitskreise „Digitale Gesellschaft“ des Landesverbands Schleswig-Holstein und des Ortsvereins Kieler Mitte bieten ihre intensive Mitarbeit an der inhaltlichen Neufassung des Vertrages an.
Am 29. November 2010 fand in Rendsburg eine öffentliche
Mitgliederversammlung der SPD statt. Hier stellten sich die vier
Kandidaten für die Spitzenkandidatur der SPD Schleswig-Holstein sich den
Fragen der Bürger. Ein Bürger sprach das Verhältnis von Freiheit und
Sicherheit an – hier die Aufzeichnung.
Video
Weitere Termine
Der nächste Termin der Veranstaltungsreihe ist übrigens am 3. Dezember 2010 in Tarp. Alle Veranstaltungen werden auch auf der Homepage des SPD-Landesverbandes übertragen und es können Fragen per Facebook eingereicht werden: http://spdlink.de/spdsh-live
Für das Web-Entwickler Magazin t3n stellt die IT-Rechtler Thomas Schwenke und Sebastian Dramburg 17 Fragen zum JMStV und beantwortet sie. Der Artikel richtet sich an alle in Deutschland, die im Internet Inhalte anbieten – somit an jeden Blogger und an jeden Forenbetreiber. Zunächst erklären Schwenke und Dramburg einige Fragen zu Staatsverträgen im Allgemeinen. Danach legt er dar, wie sich speziell dieser Staatsvertrag auf die Publikation im Netz auswirken wird.
Die Fragen
- Was ist der JMStV?
- Ab wann wird der JMStV gelten?
- Wer ist von dem Gesetz betroffen?
- Welche Neuerung bringt das neue JMStV ab 2011?
- Ist diese Kennzeichnung Pflicht?
- Welche Inhalte müssen klassifiziert werden?
- Betrifft das Gesetz nur deutsche Anbieter?
- Nach welchen Kriterien soll die Klassifizierung erfolgen?
- Wer soll diese Kennzeichnung vornehmen?
- Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit bei der Kennzeichnung Fehler zu begehen?
- Was passiert, wenn die Kennzeichnung fehlerhaft ist?
- Wie ist es mit Anbietern von User Generated Content?
- Wenn ich die Kennzeichnung vornehme, bin ich also auf der sicheren Seite?
- Brauche ich einen Jugendschutzbeauftragten?
- Muss ein Jugendschutzbeauftragter im Impressum stehen?
- Was passiert, wenn ich keinen Jugendschutzbeauftragten habe oder er nicht im Impressum erwähnt ist?
- Führt das Gesetz Netzsperren ein?
In ihrem Fazit erwarten die Anwälte keine großen Auswirkungen. Man solle nur einen Jugendschutzbeauftragten im Impressum benennen.
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Bereits vor einem Monat hat der Genosse Henning Tillmann seinem Blog Behauptungen & Fakten zum Entwurf des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags zusammengetragen. Er wollte damit seine Mail an die sozialdemokratischen Abgeordneten im Landtag von NRW unterstützen. Leider ist die Fraktion dort noch nicht ganz so weit mit ihren Gedanken zum JMStV wie ihre Kolleginnen und Kollegen in Kiel. Nach der Anhörung hatten sich Kai Dolgner und PePeter Eichstädta> eindeutig gegen den Staatsvertrag gestellt.
Henning hat einige mehr oder weniger bekannte Fakten rund um den geplanten Jugendschutz zusammengetragen. Interessant und neu für mich war die Tatsache, dass man offenbar Staatsverträge durchaus scheitern lassen kann und dass das auch schon passiert ist. Ein Einwand, der für den Staatsvertrag sprechen sollte sind auch mir schon begegnet:
„Es gibt in Deutschland eine parlamentarische Tradition, Staatsverträge nicht im Parlament scheitern zu lassen.“
und:
„In Deutschland wäre kein Staatsvertrag mehr möglich, wenn JMStV-E jetzt durchfällt.“
Henning erklärt dass das falsch ist:
"Zunächst ist festzustellen, dass eine Parlamentsabstimmung über einen (intraföderalen) Staatsvertrag nicht ohne Grund vorgesehen wird. Da es sich um einen innerstaatlichen Vertrag handelt, fällt dieser – im Gegensatz zu einem zwischenstaatlichen Staatsvertrag – in den Aufgabenbereich des Landesparlaments, das über einen Entwurf eines Zustimmungsgesetzes abzustimmen hat, welcher zuvor durch Ministerialbeamte, Staatssekretäre und Ressortminister länderübergreifend erstellt wird. Das Parlament kann dem Entwurf nur zustimmen oder dieses Ablehnen; Änderungen sind nicht möglich. In der Praxis ist zwar eine Zustimmung durch Regierung und Parlament die Regel (bedingt durch Regierungsmehrheiten in den Länderparlamenten), es gibt aber Ausnahmen. Beispiele (von weitaus mehr Fällen) sind die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz am 7./8. September 1965, 28. Oktober 1965 und 7. Januar 1966, die landesintern abgelehnt wurden. Ebenso wurde der Staatsvertrag über das Personalvertretungsrecht des „Zweiten Deutschen Fernsehen“ (ZDF) von den Länderparlamenten Hamburg und Bremen im Jahr 1966 nicht angenommen, obwohl sich kurze Zeit zuvor u. a. der Bremer Präsident der Bürgerschaft Hagedorn für den Staatsvertrag ausgesprochen hat und diesen als Landeschef unterschrieb. Der entsprechende Staatsvertrag wurde somit nicht umgesetzt.
Es gibt also mehrere Fälle, in denen Staatsverträge aus guten Gründen abgelehnt wurden. Einige der vielen berechtigten Argumente, um gegen die Novelle des Jugendmedienschutzstaatsvertrages zu stimmen, habe ich hier aufgelistet. "
Am 16. November 2010 fand im Julius-Leber-Forum der Friedrich-Ebert-Stiftung in Hamburg eine Veranstaltung zum Einfluss von Kampagnen via Internet auf unsere demokratische Beteiligung statt. Dort diskutierte Felix Kolb von campact mit der Kommunikationsberaterin Kathrin Voss.
Campact ist eine Online-Plattform, die Kampagnen zu politischen Themen organisiert. Dabei geht es nur fordergründig darum, seine E-Mailadresse zu hinterlassen und einen Massenmail an einen Politiker oder eine Politikerin zu schicken. Wer sich an so einer Aktion beteiligt, bekundet damit Interesse und wird in der Folge zu dem Thema auf dem aktuellen Stand gehalten und zu Offline-Aktionen eingeladen. Felix Kolb berichtete zum Beispiel von einer Aktion gegen Gen-Mais, bei der Verbrauchschutzministerin Aigner auf einer Tour durch Bayern auf Schritt und Tritt von Teilnehmern der Kampagne verfolgt wurde: Wo auch immer sie auftrat, immer wurden Unterstützer der Anti-Genmais-Kampagne eingeladen, vor Ort zu demonstrieren.
Fraglos ist Campact eine sehr effektive Art und Weise, Kampagnen zu populären Themen über das Internet zu organisieren und "Protest" auf die Straße zu bringen. Aber ist es wirklich eine Beitrag zu Demokratie via Internet? Kathrin Voss wandte als Gegenbeispiel ein, dass die Versuche eines Bürgerhaushaltes über das Internet in Hamburg kläglich gescheitert sind – nur wenige Benutzer registrierten sich auf der Platform auf der über die Finanzen ihrer Stadt mitentschieden werden sollte. Felix Kolb erklärte, dass das natürlich nicht funktioniert, weil es nicht unterhaltsam sei, den Mangel zu verwalten und sich an Streichaktionen zu beteiligen.
Ich konnte vor Ort die Frage leider nicht richtig formulieren, aber unsere Demokratie lebt doch davon, dass sich Menschen in ihr engagieren – nicht nur in Kampagnen, sondern langfristig in Gremien, die eben auch Haushaltspläne aufstellen. Wenn Felix Kolb meint, dass es witzlos wäre das zu tun, solange die eigentlichen Problem in der vernachlässigten Finanzierung der Kommunen läge, verkennt er meiner Meinung nach, was Politik eigentlich auch verpflichtet ist zu tun. Genau das ist doch ein politisches Ziel, für dass sich Kommunalpolitiker einsetzen. Und diese Frauen und Männer haben die Unterstützung ihrer Bürgerinnen und Bürger bitter nötig.
Wenn sich demokratische Einflussnahme per Internet nur auf Kampagnen beschränkt, die Druck auf "die Politik" machen sollen, frage ich mich, wer dann noch "die Politik" sein soll. Und wozu werden dann überhaupt noch Parlamente gewählt? Wenn CDU und FDP mit dem Versprechen von längeren Laufzeiten für Atomkraftwerke in die Wahl geht und die dann eine Mehrheit der Stimmen bekommen, welche Legitimation haben da diese Kampagnen mit ein paar tausend Unterstützern? Natürlich haben sie in einer pluralistischen Gesellschaft jede Legitimation, ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen. Aber wie es ein Teilnehmer in der Diskussion sagte: "In der Demokratie kann man nicht immer gewinnen."
Ja, man kann das Internet sehr effektiv einsetzen, um Menschen zu organisieren, um auf zusammen zu arbeiten an bestimmten Themen. Man muss dann nicht gleichzeitig am gleichen Ort sein um zu spannenden Ergebnissen zu kommen.
Im Moment wird es aber selten für wirklich konstruktive Arbeit eingesetzt – zumindest an der Oberfläche dominieren die "Klick hier, um es denen da oben mal richtig zu zeigen"-Aktionen und es geht meistens um Bundespolitik, weil nur da eine kritische Masse zusammen kommt. Und selbst da, sagte auch Felix Kolb, "funktionieren" manche wichtige Themen nicht – für Gesundheitspolitik, die jeden und jede direkt betrifft, interessieren sich zumindest die Benutzer bei campact nicht.
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- Medienpolitischer Kongress: "Open Media"
am 10. Dezember 2010 - Barcamp: "Die digitale Gesellschaft: sozial und demokratisch"
am 11. Dezember 2010
Die Medienkommission der SPD und der VORWÄRTS veranstalten am 10. Dezember 2010 in Berlin einen medienpolitischen Kongress: "Open Media".
Wir wollen mit Ihnen und Medienexperten wie Garrett Graff (The Washingtonian) über die sozialdemokratische Medienpolitik diskutieren. Anmeldung auf http://www.spd.de
Am 11. Dezember 2010 findet im Willy-Brandt-Haus ein Barcamp “Die digitale Gesellschaft: sozial und demokratisch” statt. Im Barcamp-Format können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eigene Themen für Diskussionsrunden vorschlagen. Es sollen Wege diskutiert werden, wie die digitale Gesellschaft aus sozialer und demokratischer Sicht gestaltet werden könnte.
Das netzpolitische Barcamp wird veranstaltet vom Gesprächskreis Netzpolitik des SPD Parteivorstands und vom VORWÄRTS.
Es dient auch als Vorbereitung für ein netzpolitisches Manifest für den nächsten SPD-Bundesparteitag.
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Die Fähigkeit, mit Medien und ihren
Inhalten kompetent und selbstbestimmt umgehen zu können, muss jungen Menschen
vermittelt werden, führt der medienpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion,
PetPeter Eichstädtus. Es sollen
Chancen und Möglichkeiten, aber auch die Grenzen und Gefahren des Internets und
der neuen Medien insgesamt erkannt werden. Die Landesregierung richtet bisher
wenig Aufmerksamkeit auf die Prävention, die Vermittlung eines kritischen
Umgangs mit den Medien sowie die Aufklärung über Gefahren und über den
Datenschutz. Denn gedankenlose Einträge junger User in Internet-Plattformen
führen zunehmend zu gravierenden Schwierigkeiten. Was wir dringend brauchen, ist
eine Medienkompetenzstrategie, vernetzt über alle Instanzen, die sich mit diesem
Thema beschäftigen. Das bringt, so Eichstädt, mehr als alle Regulierungen, Sperren und
Kennzeichnungen.
Vor drei Jahren, als Schleswig-Holstein gemeinsam mit Hamburg die Medienanstalt Hamburg-Schleswig-Holstein gründete, gab es ein Ringen, ob die MA HSH auch die Aufgabe der Medienkompetenzförderung übernehmen sollte. Durch Druck der SPD kam sie dann noch rein. Inzwischen ist dies ein nicht wegzudenkendes Aufgabengebiet für die Medienanstalt Hamburg-Schleswig-Holstein.
Vor drei Monaten haben wir in diesem Hause heftig über die Frage diskutiert, wie Kinder und Jugendliche besser vor den Gefahren von neuen Medien, im Besonderen des Internets, geschützt werden können. Trotz unterschiedlicher Einschätzungen, ob in diesem Bereich mit Regulierung, Verboten, Kontrolle der richtige Weg beschritten wird, waren sich alle einig: Die wirksame und effektive Antwort auf die Herausforderung kann nur die Förderung der Medienkompetenz sein.
Kinder und Jugendliche wachsen heute in einer Welt auf, aus der das Internet und die digitalen Medien nicht wegzudenken sind. Sie bewegen sich in dieser Welt häufig weitaus selbstsicherer, als die Erwachsenen das tun, sie profitieren von den unglaublichen Chancen und dem Segen des Internets, das, nur vergleichbar mit der Einführung des Buchdrucks zu Gutenbergs Zeiten, Wissen aus der Herrschaft weniger in die Hände aller Menschen gegeben hat. Auf der anderen Seite stehen aber die Risiken und die Herausforderungen, mit denen nicht nur junge Menschen lernen müssen umzugehen.
Die Große Anfrage der SPD-Fraktion sollte Aufschluss darüber geben, wo wir in Schleswig-Holstein stehen und welche Ansätze für einen souveränen, selbstverantwortlichen und kompetenten Umgang mit neuen Medien entwickelt werden können.
Ich will zunächst all denen danken, die an der Beantwortung unserer Fragen mitgewirkt haben. Wir haben mit dieser Antwort eine gute Bestandsaufnahme, die Grundlage für die Entwicklung einer integrierten Strategie sein kann. Dass durch die Antworten auch Defizite deutlich wurden, ist kein Mangel, sondern in diesem Sinne hilfreich. Und ich weiß, dass viele Institutionen sehr viel umfangreicher Stellungnahmen abgegeben haben, als sie Eingang in diesen Bericht finden konnten. Also allen noch einmal Dank und Anerkennung für diese Arbeit.
Unter Medienkompetenz verstehen wir die Fähigkeit, mit Medien und ihren Inhalten kompetent und selbstbestimmt umgehen zu können. Es sollen ihre Chancen und Möglichkeiten, aber auch die Grenzen und Gefahren erkannt werden. Dies ist eine Schlüsselqualifikation in unserer heutigen Informationsgesellschaft. Es ist unzweifelhaft so, dass diese Fähigkeiten zu einer zukunftsorientierten Persönlichkeitsbildung nicht nur von Kindern und Jugendlichen, sondern auch von Erwachsenen, älteren Menschen gehören.
Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage zeigt neben vielen positiven Ansätzen auch gravierende Defizite und Lücken auf. Zentraler Punkt: Es fehlt eine Medienkompetenzstrategie der Landesregierung; diese definiert ihre Rolle vielmehr als die eines Koordinators zwischen den Ressorts.
Die Vermittlung von Medienkompetenz an Kindertageseinrichtungen wird bisher noch zu wenig unterstützt, es bleibt den Einrichtungen weitgehend selbst überlassen, welche konkreten Angebote sie vorhalten. Weiter führt die Große Anfrage aus, dass die Medienkompetenz bisher nur unzureichend an den Schulen vermittelt wird. So ist Medienkompetenz in der Sekundarstufe 1 im Bereich „Aufgabenfelder von allgemeiner pädagogischer Bedeutung“ verankert, es gibt aber kein eigenes Fach, in dem auch Fragen der Prävention bei der Mediennutzung und der Datenschutz angesprochen werden sowie auf Gefahren hingewiesen und entsprechend sensibilisiert wird. In der Lehrerausbildung gibt es kein verpflichtendes Fach, in dem sachgerechte Vermittlung von Medienkompetenz angeboten wird.
Und das Fazit: Die Landesregierung insgesamt zieht ihren Focus auf das Kennenlernen der neuen Medien, hat aber bisher wenig Aufmerksamkeit auf die Prävention, die Vermittlung eines kritischen Umgangs mit den Medien sowie die Aufklärung über Gefahren und über den Datenschutz gerichtet. Eine Medienkompetenzstrategie, vernetzt über alle Instanzen, die sich mit diesem Thema beschäftigen, gibt es in Schleswig-Holstein nicht. Es gibt positive Ansätze, die sich aber noch nicht in eine erkennbare Strategie einordnen lassen.
Insgesamt bringt die Antwort der Landesregierung zum Ausdruck, dass in Schleswig-Holstein eine Reihe von Projekten zur Medienkompetenzförderung vorhanden sind, diese jedoch nicht ausreichen, um die Herausforderungen, die die Digitalisierung mit sich bringt, zu bewältigen. Die Ausstattung der Schulen mit entsprechender Hardware ist außerordentlich unterschiedlich, in der Lehrerfortbildung werden noch bei weitem zu wenige Schulungen für Pädagogen angeboten. Auch ist es noch nicht ausreichend gelungen, ein ausgewogenes und sich stimmiges Curriculum zu entwickeln, das die Vermittlung von Medienkompetenz fächerübergreifend von der Kindertagesstätte bis zur 13. Klasse beinhaltet.
Aber es gibt durchaus Positives, was sich allerdings erst in jüngster Zeit entwickelt hat. Dazu gehören neben den Aktivitäten der MA HSH und des Offenen Kanals sowie des IQSH die Initiativen und Angebote der verschiedensten Institute, Ministerien und Organisationen, die sich alle im „Netzwerk Medienkompetenz Schleswig-Holstein“ zusammengefunden haben. Auch an der Universität Flensburg haben sich viele Fächer der Thematik angenommen und vermitteln Medienkompetenz.
Lassen Sie mich im Zusammenhang mit Medienkompetenzförderung noch einen Blick auf die Veränderungen werfen, die sich in der Lebenswelt von jungen Menschen durch die zunehmend intensive Nutzung des sogenannten Web 2.0 ergeben. Denn die neuen Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten werden bei weitem nicht nur dazu genutzt, um Wissen abzufragen, zu sortieren und zu verwerten.
Facebook ist da nur das bekannteste Beispiel für diverse Netzwerke, die ihre Konzepte darauf ausgerichtet haben, möglichst viele Menschen mit z. T. erheblichem sozialen Druck in die Netzwerke einzubinden und sie dort zu halten mit dem Ziel, über die Auswertung der gewonnenen Daten Nutzer- und Persönlichkeitsprofile zu erstellen und diese kommerziell zu verwerten. Daten- und Persönlichkeitsschutz ist ein Fremdwort. Egal, was in Facebook kommuniziert wird – und das ist viel, weil vor allem Jugendliche, die nicht mitmachen, von vielen sozialen Kontakten abgekoppelt werden ‑, alles wird gespeichert und ausgewertet.
Gedankenlose Einträge in Schüler VZ und Facebook führen zunehmend zu gravierenden Schwierigkeiten, in die meistens junge Menschen geraten. Jeden Tag sitzen Millionen Kinder und Jugendliche am Computer und chatten in sozialen Netzwerken, setzen Fotos ins Netz und sammeln Freunde, ohne an die Gefahren zu denken. Je mehr Kontakte man in sozialen Netzwerken hat, so scheint es, umso besser. Viele Nutzer gehen dabei sorglos mit persönlichen Daten um. Sie veröffentlichen private Kontaktdaten oder persönliche Fotos und wissen in vielen Fällen gar nicht, dass jeder Netzwerknutzer sämtliche Daten einsehen kann.
Es ist verbreitet unter Firmen-Personalchefs, in sozialen Netzwerken zu recherchieren und nach Fotos zu suchen, um so das Bild von einem Bewerber/einer Bewerberin für sich abzurunden.
Nicht alle, die sich in sozialen Netzwerken bewegen, machen dies aus freundschaftlichen Motiven. Jugendliche nutzen Webseiten und soziale Netzwerke, um sich selbst zu inszenieren, aber auch um andere niederzumachen. Diese Erfahrung hat bereits jeder vierte User gemacht, er wurde beleidigt oder gar bedroht. Cyber-Mobbing ist ein vielen Jungen und Mädchen bekanntes Phänomen, oft zunächst als Scherz gemeint, aber mit gravierenden Folgen für die betroffenen Personen. Schilderungen über Morddrohungen, aber auch Selbstmorde auf Grund von Cyber-Mobbing sind keine Seltenheit mehr.
Es handelt sich bei all dem um keine kleine Randerscheinung. 68 % aller Deutschen zwischen 14 und 19 Jahren verbringen laut einer Studie der ZDF-Medienforschung regelmäßig Lebenszeit in solchen sozialen Netzwerken des Internets. Drei Viertel aller Jugendlichen haben bereits Fotos oder Filme von sich ins Netz gestellt. Jeder Vierte kennt Internet-Mobbing.
Das ganze Feld kann hier nur angerissen werden und ich hoffe, dass sowohl der Bericht als auch die Diskussion heute hier im Landtag dazu beiträgt, dass wir uns in Zukunft intensiver mit der dringend notwendigen Entwicklung einer Medienkompetenzstrategie für Schleswig-Holstein beschäftigen. Es sind, das zeigt die Antwort auf die Große Anfrage, gute Ansätze vorhanden, es gibt engagierte Akteure, aber es fehlt das Gesamtkonzept.
Eine Anhörung wird nicht nur spannend, sondern kann auch Initialzündung für die Fortentwicklung der Medienkompetenz sein. Und damit können wir mehr erreichen als mit allen Regulierungen, Sperren und Kennzeichnungen, wie wir sie zum Jugendmedienstaatsvertrag diskutiert haben.
Zur Person
Peter Eichstädt ist medienpolitischer Sprecher der SPD Landtagsfraktion Schleswig-Holstein.
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Kai Dolgner schreibt im Fraktionsblog: Die meisten werden das Gefühl kennen: Bei Dingen, die einem zunächst
absurd oder abwegig erscheinen, nimmt man an, dass es ganz tolle
Erklärungen gibt, die man nur noch nicht kennt.
Je länger ich mich mit der Novellierung des
Jugendmedienschutzvertrages beschäftigte, desto mehr Fragen stellten
sich mir, wie: Sendezeiten im Internet ‑ meinen die das Ernst?
Google-cache oder archive.org müssen die Verfasser doch wohl
kennen? Was ist mit Echtzeitkommunikation, gibt es dazu plausible
Ansätze? Immerhin gibt es den Internet Relay Chat in der derzeitigen
Form schon seit 14 Jahren. Ganz zu schweigen von dezentralen Strukturen,
die wie beim Freenet sogar verschlüsselt sind. Aber vermutlich war ich
ja nur zu ignorant und auf diese und weitere Fragen gäbe es plausible
Antworten seitens der Befürworter.
Spätestens aber, als ich dem Vertreter der Freiwilligen
Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter, die sich für Filterprogramme
stark macht und mit ihrer praktischen Erfahrung wirbt, erklären musste,
was IP-spoofing ist, geriet diese Hoffnung stark ins Wanken. Die
Details der Anhörung haben andere bereits geblogt (z. B. bei
netzpolitik.org) deshalb erspare ich mir die zum Teil unfreiwillig
komischen Ausführungen wie „Jugendschutzprogramme sind das beste Mittel
für Medienkompetenz“ (BITKOM). Als dann auch noch die Befürworter
ziemlich selbstverständlich davon ausgingen, dass wir einen
Staatsvertrag beschließen sollen, der den Einsatz von Filterprogrammen
beinhaltet, deren Wirksamkeit nicht nur mehr als zweifelhaft ist,
sondern die auch noch nicht mal existieren, verspürte ich den dringenden
Wunsch nach psychiatrischer Beratung. Das dürfte das erste Mal in der
Geschichte sein, dass Vaporware es bis in einen Staatsvertrag schafft
und den Eltern eine falsche Sicherheit vorgaukelt.
An Stärkung der Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen und an
der Verantwortung der Erziehungsberechtigten führt nun mal kein
(technischer) Weg vorbei.
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