Zur Diskussion um neue Internetdienste erklären der Vorsitzende der
Medienkommission beim SPD-Parteivorstand Marc Jan Eumann und Björn
Böhning, Leiter des Gesprächskreis „Netzpolitik“ der Medienkommission: Die SPD begrüßt grundsätzlich die technischen und gesellschaftlichen Fortschritte durch das Internet und die dort entstehenden Angebote. Auch in der Darstellung des öffentlichen Raums im Internet und in den Möglichkeiten des virtuellen Sightseeings sehen wir eher Chancen als Risiken. Damit rückt unsere Welt auch virtuell wieder ein Stück zusammen. Allerdings müssen Transparenz und die Wahrung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und Datenschutz für alle Unternehmen höchsten Ansprüchen genügen. Anspruch muss es sein, die Menschen auf dem Weg ins digitale Zeitalter mitzunehmen. Dazu gehört ein persönliches Widerspruchsrecht, das gut und einfach funktioniert.
Die derzeitige, sehr aufgeladene Debatte um Google Street View geht an der Realität und dem Kern der Problematik häufig vorbei. Die SPD kritisiert daher die in vielen Teilen pauschalisierende und unsachliche Haltung der Bundesregierung zu neuen Internetdiensten, während sie gleichzeitig konkrete Antworten auf die Herausforderungen der digitalen Gesellschaft schuldig bleibt. Populistische Kritik an Bildern von Hauswänden sowie ein Austragen bei facebook, wie von der Verbraucherschutzministerin erprobt, ersetzen keine seriöse und auf Tatsachen basierende Netzpolitik. Sie verschließt zugleich die Augen vor den Chancen und Herausforderungen, die soziale Netzwerke und neue Internetdienste für die Gesellschaft und das wirtschaftliche Wachstum haben.
Die SPD wird den privaten Raum vor Übergriffen schützen. Der öffentliche Raum aber ist öffentlich und muss es auch bleiben. Es gibt daher keinen Grund, warum er nicht auch internetöffentlich sein sollte. Die Panoramafreiheit, also das Fotografieren von Gebäuden, Plätzen oder öffentlichem Straßenland aus dem öffentlichen Raum allein stellt keinen Verstoß gegen die informationelle Selbstbestimmung dar, wenn dabei das Recht am eigenen Bild und die Privatsphäre gewahrt bleiben.
Allerdings stellen sich mit dem Angebot von Google Street View neue Herausforderungen, die derzeit in der öffentlichen Debatte nicht diskutiert werden. Für die Bürgerin und den Bürger ist das Erheben von Profildaten durch Internet-Unternehmen völlig intransparent. Deshalb besteht hier dringender Handlungsbedarf. Die Rechte der Verbraucher sind zu stärken. Nutzer sollten jederzeit in der Lage sein, die von Unternehmen über Websites erhobenen Daten einzusehen, und diese ggf. zu editieren bzw. zu löschen. Derartige Maßnahmen stärken das Vertrauen der Nutzer in die Nutzung von Internet-Dienstleistungen und bauen gleichzeitig unqualifizierter Panikmache vor. Im Fall von Google Street View fordern wir das Unternehmen auf, über eine freiwillige Selbstverpflichtung sicherzustellen, dass die Verknüpfungen von Profildaten mit Google Street View unterbleiben. Sollte das Unternehmen dieser Forderung nicht nachkommen, muss das Datenschutzgesetz solcherlei willkürliche Verknüpfungen untersagen. Eine solche Lösung entspräche auch dem Charakter der Rechtsprechung des BVerfG über die informationelle Selbstbestimmung.
Die SPD befürwortet die Entwicklung neuer Internetdienste und -verfahren. Dinge, die in der realen Welt als selbstverständlich gelten (wie das Abfotografieren von Häusern), sollten in der digitalen Welt nicht verpönt sein, nur weil sie dann allen Nutzerinnen und Nutzern zur Verfügung stellen. Die Chancen, die in der Informationsverbreitung und -vervielfältigung auch für das wirtschaftliche Wachstum und die soziale Entwicklung liegen, sollten nicht einer unsachlichen und populistischen Effekthascherei geopfert werden.
Neben den erforderlichen gesetzlichen Maßnahmen müssen auf allen Ebenen die Bemühungen um die Vermittlung von Medienkompetenz deutlich verstärkt werden. Zur informationellen Selbstbestimmung gehört auch, dass Nutzer sich bewusst werden, wo sie Datenspuren hinterlassen, welche Informationen sie – bewusst oder unbewusst – von sich preisgeben und welche Folgen dies haben kann. So können sie frei und selbstbestimmt entscheiden, welche Wege sie im Netz beschreiten und welche sie lieber meiden möchten.
In seiner Landtagsrede vom 08.09.2010 sprach der medienpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Schleswig-Holstein zum 14. Rundfunk-Änderungsstaatsvertrag – bekannt als Jugendmedienstaatsvertrag (JMStV). Er positionierte sich damit eindeutig gegen die bisherige Fassung des Vertrages. Die vorgesehenen technischen Lösungen greifen in den Charakter des Internets ein, statt nur einen geschützten Raum für Kinder und Jugendliche zu schaffen. Hier müssten bessere Lösungen gefunden werden – vor allem aber müssten die Anstrengungen in der Medienpädagogik verstärkt werden.
Peter EicPeter Eichstädtieser Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ist ein Kompromiss. Und genau
darin liegt das Problem. Er versucht etwas in eine Kompromiss-Formel zu
bringen, was sich vermutlich unversöhnlich gegenübersteht.
Unzweifelhaft ist, dass im Internet Kinder und
Jugendliche vor gefährdenden Inhalten geschützt werden sollen, genauso
wie das bei anderen Medienangeboten im Rundfunk, im Fernsehen, in
Videotheken und im Kino der Fall ist. In den anderen Medien ist dies
allerdings auch deutlich einfacher als im Internet. Es ist richtig, dass
ein verantwortungsvoller Jugendmedienschutz einen geschützten Raum für Kinder und Jugendliche im Netz anbieten soll, und das auch wirkungsvoll.
Aber wie ist dies zu erreichen, ohne dass ein zweiter
wichtiger Grundsatz, dass nämlich ein wesentlicher Charakter des
Internets, die Freiheit und Abwesenheit von Zensur und unnötiger
Regulierung, nicht verletzt wird? Wir meinen: Ohne eine große
Anstrengung bei der Vermittlung von Medienkompetenz bei Kindern und
Jugendlichen wird das nicht gehen. Und da greift der Vertrag zu kurz,
weil er auf technische Maßnahmen setzt.
Was soll passieren: Künftig sollen Internet-Provider ihren Kunden sogenannte Web-Filter
anbieten, mit denen sich das Internet so steuern und regulieren lässt,
dass eine vermeintlich kindersichere Zone entsteht. Woher sollen diese
Filter wissen, was sie durchlassen dürfen? Dafür sollen die Anbieter
angeben, für welche Altersstufe die jeweiligen Inhalte geeignet sind.
Das kann man über ein sogenanntes Label machen, wie wir es bereits von
der FSK für Filme und von der USK für Videospiele kennen. Das soll aber
freiwillig geschehen und wer seine Webseite nicht kennzeichnet, muss
damit rechnen, vom Filter ausgesperrt zu werden. De facto ist dies
letztlich also eine Kennzeichnungspflicht.
Da sind Konflikte programmiert. Und die Interpretationsbreite des Gesetzes
ist vielfältig. So steckt in Artikel 5 der Teufel im Detail, wenn der
Staatsvertrag Anbietern bestimmter Webangebote die Pflicht auferlegt,
Maßnahmen zu ergreifen, wenn auf ihren Seiten Inhalte stehen, die
„geeignet“ sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre
Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen
Persönlichkeit zu beeinträchtigen.
Jeder, der sich als Eltern um die Beeinträchtigung und
Einflussnahme seines Kindes Sorge macht und sich dann vor Augen hält,
wie wenig er weiß, was in den digital-medial aufgerüsteten Kinderzimmern
so alles passiert, muss verunsichert sein.
Und eine Interpretationsfrage ist auch,
was jugendbeeinträchtigend und was jugendgefährdend ist. Klar ist das
natürlich bei pornographischen Angeboten. Bei gewaltverherrlichenden
Angeboten wird es schon schwieriger. Wie ist es mit z.B. Jurassic Park,
wie ist es mit diversen You Tube-Angeboten? Dennoch: Da ist die
Hoffnung, dass es in absehbarer Zeit ein sogenanntes
Jugendschutzprogramm gibt, das, einmal installiert, die
Alterskennzeichnung rausfiltert. Bisher allerdings gibt es das noch
nicht.
Die Anbieter können sich alternativ auch an Sendezeitbeschränkungen
halten. Das geschieht, indem sie bestimmte Inhalte nur zu Zeiten online
stellen, in denen „Kinder und Jugendliche der betroffenen Altersgruppe
üblicherweise die Angebote nicht wahrnehmen“. Was ist das für eine alte
Denke, die hier vom Fernsehzeitalter in die Internetwelt übertragen
wird! Alleine die ja durchaus bekannten unterschiedlichen Zeitzonen rund
um die Welt werden diesen Ansatz zum Scheitern bringen.
Meine Fraktion ist der Auffassung, dass dies alles nur
ein kleiner Teil zur Lösung des Problems sein kann. Das Internet ist
nicht zu reglementieren und zu strukturieren, zu filtern und zu
überwachen wie ein Fernsehprogramm oder ähnliches. Dennoch muss es
möglichst geeignete Maßnahmen geben, um wirklich jugendgefährdende
Inhalte aus dem Netz zu entfernen.
Die Frage, wie dieses alles wirklich wirksam
funktionieren kann, ist unserer Ansicht nach durch den 14.
Rundfunkänderungsstaatsvertrag nicht befriedigend gelöst. Wir glauben,
dass es durchaus möglich ist, auf dem Weg zu einem autonomen,
aufgeklärten Umgang mit dem Internet auch unter dem Gesichtspunkt des
Schutzgedankens für Kinder und Jugendliche weiterzukommen. Allerdings
muss dies so geschehen, dass man nicht mit unklaren und schwer
praktikablen Regelungen und noch nicht vorhandenen technischen
Möglichkeiten die Eltern mit diesem Problem alleine lässt.
In jedem Fall muss all das, was hier versucht wird, begleitet werden durch gewaltige Anstrengungen im Bereich der Medienpädagogik und der Medienkompetenzförderung,
die sich sowohl an Kinder und Jugendliche als auch an Eltern richtet.
Das ist die eigentliche Herausforderung, vor der wir stehen."
Links
SPD Landestagsfraktion Schleswig-Holstein: Mit Förderung der Medienkompetenz den Schutz im Netz begleiten