Denkbar knapp wurde die vollständige Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung auf dem SPD Bundesparteitag am 6. Dezember nicht beschlossen. Abstimmungsleiter Thorsten Schäfer-Gümbel musste sogar ein zweites Mal abstimmen lassen, um sicher zu sein. Beschlossen wurde dann nur, dass die Diskussion in der Bundestagsfraktion weitergeführt werden soll. Den Abgeordneten wurden dabei wesentlich strengere Rahmenbedingungen als Bedingung mitgegeben, als es das Bundesverfassungsgericht empfohlen hatte. Damit konnte durch den Einsatz der SPD-NetzpolitikerInnen abgewendet werden, dass die SPD sich für den ursprünglichen Vorschlag der Hardliner entschließt mehr…
Noch vor einigen Jahren mussten die NetzpolitikerInnen in der SPD bei den eigenen Leuten gegen #zensursula kämpfen. Heute wurde ein wegweisender, netzpolitischer Leitantrag prominent am Tag der der Vorstandswahlen platziert und mit breiter Mehrheit beschlossen. Es ist zwar noch viel zu tun, aber die Netzpolitik in der SPD hat auch schon einen weiten Weg gemacht. Der Leitantrag knüpft aber auch an das an, was 1998 mit dem Leitantrag "auf dem Weg in die Informationsgesellschaft" in Hannover gestartet ist.
Beschlossen hat der Bundesparteitag einen Antrag, der unter der Mitarbeit zahlreicher Menschen im Internet erstellt wurde. Auch für Nichtmitglieder war es möglich sich zu beteiligen. Knapp 600 Nutzerinnen und Nutzer konnten per Adhocracy ihre Ideen und Kommentare einbringen und schließlich über die Vorschläge abstimmen.
Die SPD will die sozialdemokratischen Grundwerte Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität auch in der „digitalen Gesellschaft“ verankern. Ohne gleiche Zugänge für alle, ohne gleiche Informationsmöglichkeiten, ohne die materiellen und technischen Voraussetzungen, ohne chancengleiche Bildung wird das Internet ein soziales Medium der Wenigen und nicht der Vielen sein. Die SPD will daher einen Hochgeschwindigkeitszugang für alle und Netzneutralität, also die grundsätzliche Gleichbehandlung aller Datenpakete unabhängig von Inhalt, Dienst, Anwendung, Herkunft oder Ziel.
Der Zugang zum Internet ist für uns ein demokratisches Bürgerrecht, deshalb wollen wir kurzfristig für flächendeckende Grundversorgung sorgen. Zur Breitbandversorgung auch in ländlichen Räumen setzen wir auf einen Internet-Universaldienst und regen an, eine Universaldienstverpflichtung mit einer konkreten Bandbreite ins Telekommunikationsgesetz aufzunehmen. Wir wollen prüfen, freie WLAN-Netze in allen städtischen Kommunen gemeinsam mit Stadtwerken oder privaten Partnern vorzuhalten. Die Stellung von Medienpädagogik und die Vermittlung von Medienkompetenz müssen im gesamten Bildungssystem gestärkt werden.
Die SPD will die „digitale Welt“ gestalten und die sozialen Sicherungssysteme auf die bereits bestehenden und wachsenden Arbeitswelten im digitalen Raum ausdehnen. Es muss daher um gerechte Bezahlung und fairen Lohn für kreatives Schaffen gehen, aber auch um die Alterssicherung. Das Konzept „Gute Arbeit“ muss auch im boomenden Wirtschaftszweig rund um die neuen Kommunikationsinstrumente gelten. Dieser Antrag wurde in wesentlichen Teilen online mittels der Software „Adhocracy“ erstellt. Dabei konnte sich jeder Nutzer mit Vorschlägen und Bewertungen beteiligen.
Langfassung
Links
Nach mehreren Anläufen zu Kompromissen hat sich der Gesprächskreis Netzpolitik jetzt gegen jegliche Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen. Anlass war der Umgang der Antragskommission mit den Anträgen zur Vorratsdatenspeicherung: Insgesamt 9 Anträge verschiedener Gliederungen hatten sich gegen die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen – die Antragskommission hat daraus eine Empfehlung Pro-VDS gestrickt.
Der Gesprächskreis erklärte:
Der Gesprächskreis Netzpolitik und Digitale Gesellschaft beim
SPD-Parteivorstand empfiehlt, dem Vorschlag der Antragskommission zur
Vorratsdatenspeicherung auf dem SPD-Bundesparteitag
nicht zu zustimmen. Eine anlasslose und verdachtsunabhängige
Speicherung von Telekommunikationsverkehrdaten auf Vorrat, mit denen
Bewegungs- und Kommunikationsprofile erstellt werden können, lehnt der
Gesprächskreis Netzpolitik ab. Wir haben in einem langen und schwierigen
Diskussionsprozess versucht, einen Kompromiss zwischen Innen-, Rechts-
und Netzpolitikern zu finden und haben von unserer Seite konkrete
Vorschläge unterbreitet. Leider hat die Antragskommission mit der
Vorlage ihres Antrages zur Vorratsdatenspeicherung diese Kompromisse
nicht aufgegriffen. Es wird damit zur strittigen Abstimmung auf dem
Parteitag kommen. Der Gesprächskreis Netzpolitik fordert die Delegierten
des Parteitages auf, gegen den Antrag I30 (in der Fassung der
Antragskommission) zu stimmen. Stattdessen empfehlen wir, dem Antrag des
Juso-Bundesvorstandes zur Ablehnung einer anlasslosen und
verdachtsunabhängigen Vorratsdatenspeicherung zuzustimmen.
Links
Das hat es noch nicht gegeben: Ein Antrag zu einem Bundesparteitag der SPD wird offen im Internet erstellt. Bis zum 13. September wird mit der Software Adhocracy gemeinsam mit allen, die mitwirken wollen, ein Antrag zum Thema "Arbeit und Wirtschaft in der Digitalen Gesellschaft" erstellt, abgestimmt und dann auf dem Bundesparteitag im Dezember gestellt.
Hier ein paar Videos, die helfen sollen, sich in Adhocracy zurecht zu finden. Die SPD-Installation ist optisch ein wenig angepasst. Die Prinzipien sind aber die gleichen:
Zurechtfinden in Adhocracy
Diskurs in Adhocracy
Beobachten von Erreignissen in Adhocracy
Abstimmen in Adhocracy
Links
Der Genosse Henning Tillmann hat im Beschlussbuch zum Bundesparteitag 2009 in Dresden einen interessanten Beschluss gefunden, aus dem die Position der SPD zur Vorratsdatenspeicherung eindeutig hervorgeht: Eine Vorratsdatenspeicherung ist damit nur äußerst begrenzt möglich und drängt vor allem auf die Abschaffung der Richtlinie auf EU-Ebene.
Vorratsdatenspeicherung
Die sozialdemokratischen Mitglieder des Bundesregierung und des Deutschen Bundestages werden aufgefordert, das Bundesgesetz zur Vorratsdatenspeicherung im Sinne des Verfassungsgerichtsurteils vom 19.03.2008 zeitnah neu zu gestalten. Die sozialdemokratischen Mitglieder des Europäischen Parlaments werden gebeten, sich für die Prämisse Nr. 6 einzusetzen.
Folgende Prämissen sind unbedingt zu beachten:
1. Stärkung des bürgerlichen Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung
2. Daten zur Dauer, Standort, noch zur Person oder sonstigen Sachverhalten dürfen bei den Mobilfunkanbietern nicht gespeichert werden, es sei denn zur Rechnungslegung.
3. Eine Weitergabe von Daten an staatliche Institutionen oder an Dritte ist gesetzlich zu verbieten.
4. Deutschland muss die geplante staatliche Registrierung aller Flugreisen, mit der die nächste verfassungswidrige Vorratsspeicherung droht, sofort stoppen, ebenso wie das Vorhaben zum millionenfachen Bruch des Postgeheimnisses durch Erfassung und Auswertung von Brief- und Paketsendungen.
5. Die halbjährliche Evaluierung des Gesetzes durch die Datenschutzbeauftragten, den Deutschen Bundestag und durch 77 Verbände sowie die Möglichkeit der ersatzlosen Abschaffung des Gesetzes ist sicherzustellen.
6. Die EU-Richtlinie 2006/24/EG ist abzuschaffen.
(Überwiesen an Bundestagsfraktion und SPE-Fraktion im Europäischen Parlament)