Arbeitskreis Digitale Gesellschaft

SPD Schleswig-Holstein

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Evaluierung: AK Vorrat fordert europaweites Vorratsdatenspeicherungs-Verbot

Die EU-Kommission hat zwar die lang erwartete Evaluierung der Vorratsdatenspeicherung (VDS) noch nicht vergelegt – Dafür aber Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights (EDRi). Daraus geht hervor, dass der Effekt auf die Strafverfolgung minimal ist, dagegen aber umfangreiche Probleme mit dem Datenschutz zum Beispiel im Zusammenhang mit Geheimnisträgern auftreten. Der AK Vorratsdatenspeicherung kritisiert darüber hinaus den misstrauischen Ansatz dem Bürger gegenüber: "Eine auf Sicherheitsparanoia
gegründete Politik kann nur Ablehnung erfahren,"findet Armin Schmid vom Arbeitskreis.

Auf der einen Seite ist die Evaluierung der bisherigen Vorratsdatenspeicherung nicht besonders überzeugend ausgefallen. Auf der anderen Seite steht zu erwarten, dass der Europäische Gerichtshof die Vorratsdatenspeicherung im nächsten Jahr ohnehin kassiert. Dazu haben Überwachungsgesetze ohne Richtervorbehalt in Deutschland traditionell keine guten Aussichten vor dem Bundesverfassungsgericht.

"Es ist widersprüchlich, dass die EU-Kommission die Umsetzung einer
Richtlinie verlangt, die sie selbst nicht unverändert beibehalten
möchte", kritisiert Patrick Breyer vom Arbeitskreis
Vorratsdatenspeicherung. "Ein neues Umsetzungsgesetz bliebe auch dann
bestehen, wenn die verfehlte EU-Richtlinie längst aufgehoben ist. Wir
müssen deswegen alles daran setzen, eine neuerliche flächendeckende
Erfassung von Verbindungsdaten in Deutschland zu verhindern."

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung fordert die Bundesregierung daher auf, die EU-Richtlinie nicht umzusetzen und sich diesen Schritt nötigenfalls auch auf dem Klageweg genehmigen zu lassen.

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Rolf Fischer: Selbstbestimmung und Demokratie im Netz erhalten!

In der vergangenen Woche hat sich der Schleswig-Holsteinische Landtag mit dem Thema "Netzneutralität" auseinandergesetzt. Der SPD-Abgeordnete Rolf Fischer hat dazu eine Rede gehalten, in der er sich für den Erhalt der Netzneutralität einsetzt.
Rolf Fischer

Am Anfang stand ein Gerücht über ein geheimes Abkommen zwischen Google und dem größten amerikanischen Telekommunikationsunternehmen Verizon des Inhaltes, dass zukünftig die Daten von Google bevorzugt, also schneller durchs Netz geleitet werden sollten. Die empörte Reaktion war weltweit, weil beide gegen die eiserne Regel verstoßen würden, die das „offene und demokratische Netz“ für alle garantiert.

Netzneutralität bedeutet, dass alle Datenpakete gleich behandelt werden, dass sie grundsätzlich denselben Bedingungen unterliegen; d.h. die Mail des Aufsichtsratsvorsitzenden wird genau so schnell verschickt wie die Mail des Hausmeisters. Große und kleine Anbieter von Inhalten befinden sich im Netz grundsätzlich in derselben Position.

Auch die europäische Kommission hat eine öffentliche Konsultation gestartet, an der sich z.B. auch die deutschen Landesmedienanstalten beteiligt haben. Das Thema, das sich fern und abstrakt anhört, hat also erhebliche europapolitische und klare nationale und regionale Bezüge; deshalb sprechen wir heute darüber.

Hier sind Landes- und Bundesebene gefordert, denn die Bundesregierung wird sich im Frühsommer, also bald, dazu positionieren. Schon deshalb müssen wir uns als Parlament jetzt dazu verhalten, wenn wir auf diese Entscheidung noch Einfluss nehmen wollen. Dieser Zeitpunkt, nach der Anhörung in Brüssel und vor der Entscheidung in Berlin, ist dafür richtig. Das ist die Motivation für unseren Antrag.

Bisher sind in Europa und in Deutschland die Positionen noch sehr unterschiedlich: von „der Markt regelt das schon“ bis zur Forderung, das demokratische Netz staatlich zu sichern und zu regeln, reicht das Spektrum. Und es gilt auch für die Frage, ob es nicht auch sinnvoll sein kann, in bestimmten Fällen eine gewisse Ungleichbehandlung im Interesse der Nutzer zuzulassen; ARD und ZDF haben dies in der Konsultation angesprochen.

Ich verweise also auf die Arbeit der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ im Bundestag, die demnächst wahrscheinlich letztmalig tagt und deren Ergebnis die Entscheidung auf der Bundesebene beeinflussen wird.

Die Ergebnisse der europäischen Konsultation sind eindeutig:

  • die Offenheit und die Demokratie-Struktur des Netzes gilt es zu erhalten,
  • die Transparenz für die Verbraucher zu erhöhen und bevor neue europäische Vorschriften dazu erlassen werden
  • die Umsetzung des EU-Rechtsrahmens für elektronische Kommunikation von 2009 auf nationaler Ebene abzuwarten.

In der Ebene darunter aber liegen etliche Probleme, die das Netz in seiner bisherigen Struktur qualitativ beeinflussen, ja beschädigen würden. Lassen Sie mich zwei Beispiele nennen:

  1. Ein Internet der zwei Geschwindigkeiten ist aber unsozial und schadet der Demokratie im Netz, dann gewinnt der Anbieter, der am meisten zahlt, und das sind große Konzerne oder Betriebe.
  2. Dieser Situation kann der Nutzer nur entgehen, wenn er den Anbieter, den Provider wechselt. Das aber setzt Transparenz voraus, Diese Transparenz ist aber noch nicht gesichert. Es gibt zwar das seit November 2010 auf EU-Ebene beschlossene sog. „Telekom-Paket“, das eine generelle Informationspflicht vorsieht, dieses Paket ist aber in vielen Punkten wenig konkret und in vielen EU-Staaten noch gar nicht umgesetzt.

Ein „code of conduct“ aller Marktbeteiligten, über das Verhalten des jeweiligen Providers, überwacht durch staatliche Behörden, wäre ein erster wichtiger Schritt. Im Übrigen können Regierungen selbst Anforderungen an die Qualität der zu erbringenden Dienste stellen; auch das ist in der Bundesrepublik noch nicht geschehen. Darauf sollten wir dringen und deshalb ist unser Antrag wesentlich konkreter als der von CDU/FDP.

Man kann nicht auf Rahmenbedingungen verweisen, diese aber nicht konkret nennen. Das erscheint mir zu wenig. Achten wir also darauf, dass sich der grundsätzliche Charakter des Internet nicht ändert; denn es geht im Kern um Selbstbestimmung und Demokratie im Netz; dafür sollten wir, dafür lohnt es sich zu streiten.

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Apples Marktmacht: Ein Fall für die EU?

Bisher war es App-Anbietern möglich innerhalb ihrer Apps eigene Verkäufe abzuwickeln. Das soll jetzt nur noch gehen, wenn Apple seine üblichen 30% mitverdient. Unter den Anbieter rührt sich der Unmut. Und der EU Abgeordnete der SPD Matthias Groote findet das bedenklich – er will, dass sich die EU-Kommission mit diesem Geschäftsmodell auseinander setzt. 

Heise Online berichtet, dass die Verlegerverbände sauer sind:

"Der Sache fehle Transparenz, die Frage der Zensur, die Apple als "Gatekeeper" ausüben könne, sei ungeklärt und viele Details noch trübe."

Einige Anbieter haben sogar den Rückzug aus Apples Markt angekündigt. Noch vor ein paar Monaten hatte das ganz anders geklungen: Springer-Chef Mathias Döpfner hatte in einer amerikanischen Talkshow seine Kollegen dazu aufgerufen, Apple einmal täglich betend zu danken.

Derweil kündigte Matthias Groote MdEP von der SPD an:

"Ich habe wegen des Vorgehens von Apple bei der Europäischen Kommission eine schriftliche Anfrage eingereicht. Bin gesspannt auf die Antwort der EU-Kommission und ob bzw. wie sie in dieser Sache aktiv wird."

Vor Jahren war die EU gegen Microsoft vorgegangen, weil die Firma ihre marktbeherrschende Stellung ausgenutzt hatte. Apple könnte mit seinem App-Store ähnliches blühen – die kritischen Stimmen werden jedenfalls lauter.

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EU: Starkes Signal gegen Netzsperren

Monatelang war diskutiert worden, doch nun steht es fest: Der Innenausschluss des Europäischen Parlaments spricht sich gegen Netzsperren aus. Die Debatte hatte internationale Aufmerksamkeit unter dem Stichwort "Censilia" bekommen, nachdem sich die Innenkommissarin Cecilia Malmström von der schwedischen Liberalen Volkspartei für eine entsprechende Zensurinfrastruktur ausgesprochen hatte.

Alvar Freude vom AK Zensur kommentiert:

„Wer im Kampf gegen Kinderpornografie im Internet weiter auf die wirkungslosen Sperren setzt, duldet damit die weitere Verbreitung der Missbrauchs-Bilder und schafft gleichzeitig eine Infrastruktur für Internet-Zensur. Wie man eine solche auch einsetzen kann, haben uns in den letzten Tagen Tunesien, Ägypten und der Iran vorgeführt. Nur das Löschen ist rechtsstaatlich, nachhaltig und funktioniert. Zum Beispiel konnten wir innerhalb von 30 Minuten einschlägige Webseiten löschen, die seit Jahren in Dänemark nur notdürftig gesperrt waren.“

Das Sperren ("Wegsehen statt Handeln") ist damit zwar noch nicht ganz aus der Welt. Es muss aber nicht mehr verpflichtend von allen EU-Ländern eingeführt werden und es muss ein bestimmter rechtlicher Rahmen eingehalten werden, wenn ein Land es dennoch will.

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Safer Internet Day: Medienkompetenz ist unverzichtbar

In einer gemeinsamen Pressemitteilung erklären die EU Abgeordneten der SPD Petra Kammerevert, Birgit Sippel und Matthias Groote: Das Internet ist ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Alltags geworden. Die digitale Welt bietet auf der einen Seite viele Chancen, birgt auf der anderen Seite aber auch einige Gefahren im realen Leben. Unter dem Motto ‚Das Internet ist mehr als ein Spiel – es ist dein Leben‘ macht der morgige ‚Safer Internet Day‘ beides bewusst und zeigt mit vielfältigen Aktionen in den EU-Mitgliedstaten, wie man diese Chancen nutzen und den Gefahren begegnen kann.

"Die raschen technologischen Entwicklungen bieten den Nutzern enorme Möglichkeiten, stellen aber auch den Datenschutz vor ganz neue Herausforderungen. Deswegen müssen die Datenschutzgrundsätze an die neuen Technologien angepasst werden. Es muss sichergestellt werden, dass personenbezogene Daten auch in Zukunft wirksam geschützt sind", so Matthias Groote, Mitglied im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie des Europäischen Parlaments.

Seine SPD-Kollegin und innenpolitische Expertin Birgit Sippel ergänzt: "Datenschutzfragen lassen sich kaum noch auf regionaler oder nationaler Ebene beantworten. Zwar ist seit dem Lissabon-Vertrag der Schutz persönlicher Daten EU-weit durch die Grundrechtecharta garantiert, jedoch hat sich der rechtliche Rahmen noch nicht in demselben Maß entwickelt, wie das Internet selbst. Wir brauchen dringend eine gesamteuropäische Rechtsetzung für einen modernen Datenschutz in den neuen Medien. Rechte und Vorschriften, die im wirklichen Leben gelten, müssen auch in der digitalen Welt gelten."

Einig sind sich die drei SPD-Abgeordneten auch darin, dass jeder Einzelne eine kritische Distanz zu modernen Kommunikationstechniken wahren sollte, sobald persönliche Daten abgefragt werden. Die entsprechende Medienkompetenz müsse allerdings erst erlernt werden.

"Datenverkehr ist so selbstverständlich wie Straßenverkehr. Deshalb müssen wir, angefangen bei unseren Jüngsten bis hin zu den ‚Silver Surfern‘, Wissen um den Wert ihrer Daten vermitteln. Der kritische Umgang mit den eigenen Daten kann und muss eine Kulturtechnik wie das Lesen und Rechnen sein. Die Vermittlung von Medienkompetenz ist eine Aufgabe, der sich neben der Schule auch Eltern, staatliche Einrichtungen und nicht-staatliche Organisationen stärker annehmen müssen", meint die SPD-Medienexpertin Petra Kammerevert.

Die Gewährleistung und der Ausbau von Datensicherheit müsse als ein positiver Standortfaktor für die Europäische Union begriffen werden. Deshalb solle sich die EU ehrgeizige Standards im Datenschutz setzen und bei ihrer Einhaltung eine Vorreiterrolle einnehmen, fordern die drei SPD-Europaabgeordneten abschließend.

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Ungarn: Martin Schulz über das neue Mediengesetz

Seit einigen Wochen macht Ungarn Schlagzeilen mit einem neuen Mediengesetz, dass nach Meinung vieler Kritiker die Freiheit des Journalismus stark beschneidet. Unter Anderem soll ein Medienrat auf "ausgewogene Berichterstattung" achten. Bei Verstößen drohen hohe Strafen. Vorauseilende Selbstzensur aus Angst vor finanziellem Ruin könnte das Ergebnis sein. SPD.de hat mit Martin Schulz, dem Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament, darüber gesprochen.

Martin Schulz

Als Mitgliedsstaat ist Ungarn an die europäischen Werte gebunden. Als aktueller Inhaber der Ratspräsidentschaft kommt dem Land eine zusätzliche Vorbildfunktion zu. Derzeit analysiert die Europäische Kommission das Gesetz.

"Stellt die Kommission in ihrer abschließenden Beurteilung Verstöße gegen das europäische Recht durch dieses Gesetz fest, muss er es korrigieren. Das ist zwingend erforderlich, sonst nimmt die Präsidentschaft schweren Schaden."

meint Martin Schulz. Und er fordert ein unverzügliche Reaktion der Kommission:

"In Österreich hatte mal ein Bundesland ein LKW-Fahrverbot erlassen. Binnen 48 Stunden hatte die Kommission ein Eilverfahren dagegen eingeleitet. Wenn es um den Binnenmarkt geht, handelt die Kommission also sehr zügig. Wenn es um die Grundrechte-Charta geht, erwarte ich, dass hier das Gleiche gilt."

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Studie: Von der Selbstregulation zur zentralen Kontrolle

In einer EU-weiten Studie beobachtet European Digital Rights (EDRi) den Wandel im Internet: Macht, die traditionell von den Exekutivorganen und der Judikative ausgeübt wird, wird demnach unter
dem Deckmantel der "Selbstregulierung" von den Staaten stillschweigend an ISPs und Firmen
delegiert.

"Internetanbieter auf der ganzen Welt gewinnen zunehmend Einfluss auf die Bemühungen ihrer Staaten, der
Verbreitung von illegalen Online-Inhalten entgegen zu wirken. Auch ein heute veröffentlichter Bericht von European
Digital Rights deutet darauf hin, dass sich dieser Trend sehr wahrscheinlich verstärken wird, je weiter wir uns in
Richtung einer Kultur der "außergerichtlichen Sanktionen" gegen Konsumenten bewegen. Der Bericht offenbart
erhebliche Bemühungen, Zwischenhändler mit Kontrollmacht zu beauftragen, untersucht den Einfluss von
„freiwilliger ‚Selbstregulierung’“ auf Onlineinhalte und erzeugt Aufmerksamkeit für die Konsequenzen von Offenheit
im Internet und Innovationen."

European Digital Rights (EDRi) ist eine gemeinnützige, nichtstaatliche "Digital Rights"-Organisation, bestehend aus 29 Mitglieder-NGOs und mit Vertretungen in 18 verschiedenen europäischen Ländern. EDRis Ziel ist es, Menschenrechte und Freiheiten in
der digitalen Welt zu fördern, zu schützen und aufrechtzuerhalten.

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Vorratsdatenspeicherung: Der Stand der Diskussion

Die aktuelle Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung (VDS) findet im Spannungsfeld zweier Vorgaben statt: Zum Einen gibt es eine Richtlinie für eine Vorratsdatenspeicherung. Richtlinien der EU müssen in nationales Recht umgesetzt werden. Immer. In allen Mitgliedsstaaten. Zum Anderen hat das Bundesverfassungsgericht enge Grenzen für eine Umsetzung gesteckt.  Ein tatsächliches Problem stellt die EU-Richtlinie dar. Richtlinien müssen von allem EU-Mitglieder binnen Frist in nationales Recht umgesetzt werden. Es gibt da kleine inhaltliche Spielräume, im Prinzip müssen sie aber umgesetzt werden. Eigentlich hätte die Richtlinie bereits bis März 2009 umgesetzt werden müssen. Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, ist das nicht mehr der Fall. Werden Richtlinien nicht umgesetzt, droht ein Vertragsverletzungsverfahren, an dessen Ende eine finanzielle Strafe stehen kann. 

Diese Richtlinie verschwindet nicht von alleine. Und wenn man sagt, dass ein wichtiges EU-Mitgliedsland wie Deutschland die Strafe in einem Vertragsverletzungsverfahren einfach hinnimmt, wäre das ein schlechtes Signal an andere Mitgliedsstaaten, sich auf gleiche Weise gelegentlich von missliebiger Europapolitik frei zu kaufen. Das wäre das Ende einer gemeinsamen europäischen Politik.

Es gibt Hoffnung 

Die Vorratsdatenspeicherung wird zur Zeit auf europäischer Ebene evaluiert. Ein Ergebnis soll es im März 2011 geben. Wenn die Vorratsdatenspeicherung auch in 20 Mitgliedsländern umgesetzt wurde, so eckte sie doch in anderen Ländern an.

Dazu zählt vor allem der Sonderfall Irland: Irland versuchte bereits 2006 gegen die Vorratsdatenspeicherung beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu klagen. Die Kläger versuchten die Richtlinie zu kippen, indem sie die Vorratsdatenspeicherung als Binnenmarktmaßnahme bezeichnete. Der EuGH hat sich darauf aber nicht eingelassen.

Nun haben wir durch den Vertrag von Lissabon und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union seit 2009, eine andere rechtliche Situation und Irland vorsucht diesmal den direkten Weg: Der EuGH soll prüfen, ob die Vorratsdatenspeicherung mit den neuen europäischen Bürgerrechten vereinbar ist. Max Steinbeis vom Verfassungsblog sieht in der Klage die Chance für eine wegweisende Entscheidung und eine Stärkung der europäischen Bürgerrechte.

Es wäre unsinnig, vor Ende der Evaluation noch eine Umsetzung in Deutschland zu versuchen. Man müsste das Gesetz – mal abgesehen von einer drohenden neuen deutschen Verfassungsbeschwerde – vermutlich kurze Zeit später wieder ändern. Es macht darüber hinaus keinen Sinn, die Evaluierung vor Entscheidung der Klage Irlands vor dem EuGH abzuschließen. Es ist auch unwahrscheinlich, dass die EU-Kommission vorher ein Vertragsverletzungsverfahren lostritt. 

Die Position der Parteien im Bundestag sind zur Zeit folgende: Die CDU will die EU-Richtlinie, die die Vorratsdatenspeicherung vorschreibt 1:1 umsetzen. Die FDP sieht auch, dass das eigentlich passieren muss, dass es aber eben nicht 1:1 mit dem Grundgesetz geht – sie will die Evaluierung der Richtlinie abwarten. Die LINKE und die GRÜNEN ignorieren die EU-Richtlinie und sind gegen jegliche Form von Vorratsdatenspeicherung. Die SPD erkennt die Notwendigkeit der Umsetzung, wartet aber auf eine Gesetzesvorlage der Regierung als Diskussionsgrundlage und die Evaluierung der EU-Richtlinie, die zur Zeit durchgeführt wird.

In der Bundestagsdebatte vom 16. Dezember 2010 konnte man die derzeitigen Positionen der Parteien und einige Probleme erkennen:

Wie es weitergeht

Je nach dem, wie das EuGH entscheidet oder wie die Evaluation ausfällt, wird die VDS-Richtlinie verändert werden. In der EU gibt es eine konservative Mehrheit. Eine komplette Abschaffung erscheint unwahrscheinlich. Zur Zeit steht das Konzept des "Quick Freeze Plus" zur Debatte. Jan Moenikes, Rechtsanwalt und Mit­glied des Forums Net­zpoli­tik der SPD, bezeichnet den Vorschlag der Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) als "Wolf im Schafspelz":

Das was Leutheusser-Schnarrenberger nun aber als ihre politische Lösung präsentiert, geht über meine Befürchtungen weit hinaus. Es könnte sich im Ergebnis für Bürgerrechte und Telekommunikationsindustrie als belastender erweisen, als die vom Bundesverfassungsgericht aufgehobenen Vorschriften. Denn bislang offensichtlich unbemerkt auch von vielen Kritikern, soll laut dem Eckpunktepapier nicht nur die Möglichkeit einer (wenn auch zeitlich deutlich begrenzteren) anlasslosen Speicherung von IP-Adressen eröffnet werden, sondern werden zugleich auch die Möglichkeiten der auch nur auf einen abstrakten Verdacht hin bezogenen Überwachung aller Bürgerinnen und Bürger ganz erheblich ausgeweitet!"

Andere Überlegungen gehen einen Schritt zurück und differenzieren die auf Vorrat gehaltenen Daten stärker als bisher. In einem Interview mit der ZEIT erklärt Alvar Freude (AK Zensur), die unterschiedlichen Datenarten: Das sind zum einen die Verbindungsdaten (Wann hatte wer welche IP?) und zum anderen sind das die Kommunikationsdaten. Diese Daten geben dann Auskunft darüber, wer wann mit wem telefoniert oder gemailt hat. Inhalte sollten bei der Vorratsdatenspeicherung nicht gespeichert werden. Die Verbindungsdaten sind dann nur so etwas wie ein Autokennzeichen – Die Polizei kann es zuordnen. Es sagt aber nichts über den Halter oder sein Fahrverhalten aus. Zumindest bei IPv4 funktioniert das noch so.

Problematisch sind dann vor allem die Kommunikationsdaten, weil sie ermöglichen komplette Persönlichkeits und Bewegungsprofile zu erstellen. Wenig kritisch sie Alvar Freude die Verbindungsdaten:

Beim Speichern von IP-Adressen auf Vorrat sehe ich keine große Gefahr. Man kann damit keine Nutzerprofile erstellen und nicht herausfinden, wer wann welche Website besucht hat. Nutzen bringen sie nur, wenn eine konkrete Straftat vorliegt und nun ermittelt werden soll, von welchem Anschluss sie begangen wurde. Da verstehe ich auch den Bedarf der Ermittler und könnte damit leben, wenn die IP-Adressen länger als sieben Tage gespeichert würden. Denn um mehr über den Nutzer zu erfahren, bräuchten sie eine konkrete Überwachungsanordnung, die sehr viel höheren Hürden unterliegt."

Vor allem muss die Diskussion von anderen Themen getrennt werden. So sagt Alvar Freude:

Es bestand immer die Hoffnung, wenn keine IP-Adressen mehr gespeichert werden, gibt es auch keine Abmahnungen beim Filesharing mehr. Aber das hat sich nicht bewahrheitet. Die Musikindustrie hat einen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch und ist einfach schnell genug, im Zweifel überwachen sie es in Echtzeit. Fürs Filesharing spielen die Regeln also keine Rolle."

Die Befürchtung, dass die Verbindungsdaten vor allem gegen Filesharer genutzt werden, ist ein ganz anderes Problem. Hier muss gesellschaftlich diskutiert werden, ob und wenn ja wie sich das Urheberrecht durch das Internet ändern muss. Aber auch das muss geklärt werden.

Am Ende bleiben zwei Fragen:

  1. Kann man überhaupt eine Vorratsdatenspeicherung erarbeiten, die sowohl den Anforderungen des Grundgesetzes entspricht als auch die EU-Richtlinie erfüllt?
  2. Was bedeutet es für die EU-Politik, wenn die Antwort "Nein" lautet? 

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Netzpolitik: Alvar Freude: “Vorratsdaten sind so schlecht nicht”

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Netzsperren: Kinderpornos als Vorwand

Inzwischen ist vielfach argumentiert, dass es zur Bekämpfung von Pädokriminalität im Internet wirkungsvollere Lösungen als Netzsperren gibt. Dagegen ist ungefähr genauso umfangreich belegt, dass Netzsperren unerwünschte Nebenwirkungen mit Auswirkungen auf die Bürgerrechte haben. Erich Moechel vermutet deswegen andere Gründe.

Laut Verisign gab es im ersten Quartal 2010 rund 193.000.000 Top Level Domains (TLD). Pro Jahr werden darunter weltweit laut Internet Watch Foundation nur rund 1.100 Anlockseiten mit pädokriminellen Inhalten entdeckt. Viele dieser Seiten sind in Ländern gehostet, in denen das verboten ist. Erich Moechel erklärt wie das kommt und warum sich daran nichts ändert. Er geht vielmehr von einer verdeckten Agenda aus:

"Die wütenden Reaktionen europäischer Politiker auf die WikiLeaks-Enthüllungen haben gezeigt, worum es dabei geht. Ist eine solche Sperrinfrastruktur erst einmal erstellt, lässt sie sich ad hoc zur Blockade aller unerwünschten Inhalte benutzen. Obendrein funktioniert dieses Sperrsystem verdeckt, da die schwarzen Listen von den Providern geheimgehalten werden müssen."

Die Erfahrung bestätigt diesen Gedanken. In einem Fall wie bei den aktuellen Wikileaks Veröffentlichungen würde in Zukunft vermutlich zunächst einmal schnell gesperrt. Erich Moechel Fazit:

"Eines lässt sich mit Sicherheit sagen: Hätte man nur einen Teil der Ressourcen, die da vor allem von den USA gegen WikiLeaks aufgefahren werden, für eine konzertierte Aktion gegen die "Kinderporno"-Gangs benützt, wäre die gesamte Sperrdiskussion noch obsoleter, als sie ohnehin schon ist."

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Wettbewerbsverfahren gegen Google

Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich die EU mit Google in einem Wettbewerbsverfahren beschäftigt. Konkurrenten beklagen, dass Google eigene Ergebnisse in der Produktsuche bevorzugt. Dem will die Europäische Kommission jetzt nachgehen. Google droht laut Financial Times Deutschland eine der höchsten Strafen in der EU Geschichte.

Eigentlich kann es sich Google gar nicht leisten, dass sich herausstellt, man habe am Suchalgorithmus manipuliert, um eigene Angebote zu bevorzugen. Und vermutlich ist das auch nicht passiert. Allerdings flammt mit dem Wettbewerbsverfahren die Diskussion um das geheime Rankingverfahren wieder auf. Das Verfahren, mit dem Google die Relevanz von Inhalten bewertet, gilt als "Coca Cola Rezept des 21. Jahrhunderts". Bei dem aktuellen Marktanteil der Google Suchmaschine, bedeutet eine schlechte Einschätzung quasi das Aus für ein Angebot. Was nicht auf den ersten zwei Suchergebnisseiten zu finden ist, existiert nicht.

Gerade hat Google eine Neuerung im System angekündigt: Bisher war ein wichtiger Faktor für eine hohe Relevanz, dass viele externe Internetseiten auf ein Angebot verweisen. In einem New York Times-Artikel wurde darauf hingewiesen, dass das auch funktioniert, wenn sich viele Webseiten negativ über ein Angebot äußern. "Bad Publicity is Good Publicity." Google will nun die Inhalte einer Seite daraufhin untersuchen, ob sie sich positiv oder negativ zu einem Link äußere.

Natürlich erscheint das auf den ersten Blick sinnvoll: Wer will schon sein neuen Notebook beim Anbieter mit den meisten Verrissen kaufen? Es zeigt aber auch, was Google macht: Es bewertet Inhalte nach eigenen Maßstäben. Wie die aussehen, wissen nur einige Mitarbeiter von Google. Ob eine Information die Öffentlichkeit erreicht hängt zur Zeit davon ab, wie sie zu diesen Maßstäben passt. Und gleichzeitig gaukelt Google Neutralität und Objektivität vor.

Der App-TÜV

In einem Leitartikel in der Frankfurter Rundschau forderte Frank-Thomas Wenzel kürzlich, das Netz nicht den Konzernen zu überlassen. Statt die Regulierung ganzer Märkte, einzelnen Firmen zu überlassen – so wie zum Beispiel alleine Apple über den Zugang zum App-Store entscheidet – sollte man überlegen, neutrale Instanzen zu schaffen, die nach demokratisch festgelegten Regeln entschieden.

Wie der Prozess ausgehen wird, ist noch vollkommen unklar. Ein vergleichbarer Prozess gegen Microsoft hat sich jahrelang hingezogen und sein Ergebnis heute fast irrelevant: Windows darf bei der Installation nicht nur den eigenen Browser anbieten.

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