Arbeitskreis Digitale Gesellschaft

SPD Schleswig-Holstein

Allgemein

Geoscoring: Neuköllner kann kein O2-Kunde werden

Marco Freiersdorf kann bei O2 kein Kunde werden, weil er in Neukölln wohnt. Diesen Schluss zieht er jedenfalls selbst, nachdem er bei der Auskunftei Arvato-Infoscore die Basis für seine Bewertung erfragt hat. Die sagte, sie wisse über ihn nicht mehr als Anschrift und Alter und aus der Erfahrung mit der Zahlungsmoral seiner Nachbarschaft bekam er einen unterdurchschnittlichen Scoringwert. Mit einem unterdurchschnittlichen Scoringwert bekommt man aber bei O2 keinen Vertrag. Marco Freiersdorf ist Opfer von Geoscoring geworden – dem statistischen Verfahren, dass aus einer Anschrift Zahlungswahrscheinlichkeiten zu errechnen.

Der Fall erinnert an das Redlining, mit dem bis in die 1960er Jahre Stadtteile mit schwarzer Bevölkerungsmehrheit in den USA von der Vergabe von Hypotheken ausgeschlossen wurden. Hypotheken sind aber auch die Grundlage für Investitionen und Investitionen eine Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg. Derart benachteiligte Bevölkerungsgruppen geraten in der Folge in einen selbstverstärkende Abwärtsspirale. 

In Neukölln sorgt das Geoscoring in diesem Fall dafür, dass ein junger Mensch keinen Mobilfunkvertrag abschließen kann. Er ist damit von bestimmten gesellschaftlichen Möglichkeiten ausgeschlossen. Kommunikation findet heute zunehmend über Mobiltelefone statt. Und zwar nicht nur per SMS oder Anruf, sondern auch über das mobile Internet.

Thilo Weichert, Landesdatenschutzbeauftragter von Schleswig-Holstein, ist der Meinung, dass nach der Novelle des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) vom 1. April 2010 niemand aufgrund seines Wohnortes diskriminiert werden dürfe. Ein Wahrscheinlichkeitswert für ein bestimmtes zukünftiges Verhalten dürfe nur verwendet werden, wenn nicht ausschließlich Anschriftendaten genutzt werden. Arvato-Infoscore wird sich vermutlich darauf berufen, dass sie neben der Anschrift noch das Alter bzw. das anhand des Vornamens geschätzte Alter mit einbezogen haben. Das macht die Sache leider kein bisschen diskriminierender.

Links