Arbeitskreis Digitale Gesellschaft

SPD Schleswig-Holstein

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Freie Codecs und Softwarepatente

Der Erfolg des World Wide Web beruht zu einem großen Teil auf freier Soft­ware und freien Spez­i­fika­tio­nen: Vom Server­be­trieb­ssys­tem bis HTML und dem Browser ist der kom­plette Aus­liefer­ungsweg einer Web­site mit freier Soft­ware abbild­bar. Die einzi­gen Schwach­stelle in dieser Kette waren bisher immer die Audio– und Videoformate. Google, durch den Kauf der Firma On2 in den Besitz der Lizenzen an dem Videocodec VP8 gekommen, versprach nun vor ein paar Tagen, dieses Codec unter freier Lizenz zu veröffentlichen – doch Softwarepatente in den USA könnten Google nun einen Strich durch die Rechnung machen.

Die Idee klingt zunächst naheliegend: Wer eine tolle Idee hatte, kann die beim Patentamt melden und dann darf nur er selbst allein den Nutzen dieser Idee haben. Jeder kennt es, wie doof das ist, wenn jemand anderes eine gute Idee "klaut" und den Ruhm einstreicht. Und so ist es auch leicht nachvollziehbar, dass zum Beispiel dass zum Beispiel jemand, der sich ein gutes Verfahren ausgedacht hat, wie man Video-Dateien kleiner macht, sich das auch schützen lässt.

Zunächst muss man 2 Dinge unterscheiden:

  1. Wer sich so ein Verfahren ausdenkt und eine Lösung programmiert, hat das Urheberrecht an der konkreten Implementierung. Ich darf mir also nicht einfach den Code nehmen und ihn irgendwo einbauen. Ich müsste das also nachprogrammieren, ohne abzuschreiben.
  2. Patente bekommt man klassischerweise für technische Erfindungen, die irgendetwas mit Gegenständen und Naturkräften zu tun hat: Eine besondere Art Glas zu brennen, so dass es nicht kaputt geht, zum Beispiel.

Lässt sich dann eine Idee patentieren? Zur Erklärung findet man in der Wikipedia findet man einen Vergleich zur Literatur:

"Demnach sei es bei Software sehr ähnlich gelagert wie mit literarischen
Werken. Nicht die Handlung ist von Interesse für den Schriftsteller, die
erzählerische Handlung kann auch nicht deutlich von der Erzählung
separiert werden, worauf es allein ankommt ist vielmehr seine glückliche
schriftstellerische Umsetzung. Die Patentierung von Software werde
daher von den IT-Professionellen ähnlich absurd empfunden wie die
Patentierung einer erzählerischen Handlung. Und ebenso wie die
Patentierbarkeit einer Erzählung gegeben sei, wenn Patente auf
Handlungen vergeben werden, so sei es auch mit der Patentierbarkeit bei
Software der Fall, wenn Patente auf Abstraktionen (Konzepte bzw. Ideen)
in Software vergeben werden. Es wird im Allgemeinen verstanden, dass
sich ein Patent auf eine zugrundeliegende Abstraktion bezieht, wobei der
Schutz des Abstrakten die Realisation des Konkreten verunmöglicht. Um
dies zu verdeutlichen, wird von Kritikern auch der Begriff
Software-Ideenpatent benutzt."

In Europa ist nach dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) von 1973 geregelt, dass „Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten“ und „Programme für Datenverarbeitungsanlagen“ als Software an sich nicht patentfähig sind. Software lässt sich nur als Teil einer technischen Erfindung mitpatentieren. Diese "Technizitätskriterium" bietet aber immer wieder Ansatzpunkte für Softwarepatente. Ist es eine technische Innovation, wenn man aktive Spielfiguren auf einem Spielfeld optisch hervorhebt? Oder im Fall der Codecs: Ist es schon ein technischer Effekt, wenn eine Video-Datei auf der
Festplatte weniger Platz benötigt – immerhin ist die Festplatte pysikalisch hinterher genau so groß wie vorher…

In den USA ist man mit den Softwarepatenten freigibiger – dort wurde mal festgelegt, dass "industrielle Prozesse" patentierbar seien: Damals hatte man aber wohl eher solche Prozesse wie das erwähnte Härten von Glas im Sinn. Mittlerweile hält aber zum Beispiel Microsoft das Patent auf den "Prozess" des Doppelklicks und auf Instant Messaging.

Ein Patent kann so zur Falle werden. Ein bekanntes Beispiel dafür ist das GIF-Format bei Grafiken. Das Format besteht aus einem Verfahren, das die Datenmenge eines Bildes reduziert. Dieses Verfahren war patentiert seit 1983 und Anfang der 1990er erst fing die Firma, der die Lizenzen gehörten an, von kommerzielle Software, die GIF nutzte, Lizenzgebühren zu verlangen. Ende der 1990er Jahre traf es auch freie Software und Website-Betreiber, die GIFs aus nicht-lizenzierter Software benutzten.

Google, Lizenzen und Patente

In HTML hat es sich mittlerweile eingebürgert, Videos als Flash-Filme zu integrieren. Da Flash ein sehr weit verbreitetes Browser-Plugin ist, hat sich das zum Quasi-Standard entwickelt. Das Problem: Flash ist nicht frei und gehört der Firma Adobe. Während also der Rest von HTML relativ öffentlich weiterentwickelt werden kann, hängt die Entwicklung von Flash von Adobe ab. Daraus entstand die Idee Videos in HTML5 direkt zu implementieren. So konnte man spezifizieren, was genau ein Browser machen soll, wenn er auf ein Video trifft. Dazu gehörte dann auch die Angabe, um was für ein Video es sich handelt – also wie es komprimiert (codiert) wurde und wie der Browser es wieder auspacken soll (decodiert) – Dafür ist ein Codec nötig.

Bisher sah es so aus, als würde das H.264 als Codec benutzt. Aber auch das ist nicht frei – da wäre man dann also doch nicht weiter. Die Free Software Foundation hat daraufhin einen offenen Brief an Google geschrieben und darum gebeten, VP8 frei zu lizenzieren, auf Youtube zu benutzen und damit zum Quasi-Standard zu machen. Google hatte war in den Besitz der Lizenzen an VP8 gekommen, als sie die Firma On2 aufgekauft hatte.

Nun hat Google vor einigen Tagen tatsächlich angekündigt, VP8 in dem Open Source Projekt WebM unter freie Lizenz zu stellen, auf Youtube einzusetzen und in Chrome zu integrieren.

Die MPEG LA hat nun erklärt, eventuell gegen Google vorzugehen. Die MPEG LA ist eine Firma, die Patente verschiedener Firmen unter anderem zum Thema Videocodierung verwaltet. Sie geht davon aus, dass es unmöglich sei, ein Videocodec zu entwickeln, ohne dass Patente betroffen wären – sprich: Es sei unmöglich ein freies Codec zu programmieren.

Video

Links

Homepage: patentfrei.de