Die noch 2009 von der großen Koalition beschlossenen Internetsperren stehen nach einem Beschluss der schwarz/gelben Bundesregierung vor dem Aus. Wie SPIEGEL ONLINE berichtet, sollen pädokriminelle Inhalte in Zukunft so schnell wie möglich gelöscht werden.
Die Sperren sollten ursprünglich eingeführt werden, weil vor allem von der damaligen Familienministerin von der Leyen (CDU) behauptet wurde, dass die fraglichen Inhalte oft im Ausland auf Servern lägen, die dem Zugriff der deutschen Polizei entzogen seien. Im März präsentierte das BKA dagegen Zahlen, die zeigten, dass es möglich ist, den überwiegenden Teil innerhalb von kürzester Zeit zu löschen.
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Monatelang war diskutiert worden, doch nun steht es fest: Der Innenausschluss des Europäischen Parlaments spricht sich gegen Netzsperren aus. Die Debatte hatte internationale Aufmerksamkeit unter dem Stichwort "Censilia" bekommen, nachdem sich die Innenkommissarin Cecilia Malmström von der schwedischen Liberalen Volkspartei für eine entsprechende Zensurinfrastruktur ausgesprochen hatte.
Alvar Freude vom AK Zensur kommentiert:
„Wer im Kampf gegen Kinderpornografie im Internet weiter auf die wirkungslosen Sperren setzt, duldet damit die weitere Verbreitung der Missbrauchs-Bilder und schafft gleichzeitig eine Infrastruktur für Internet-Zensur. Wie man eine solche auch einsetzen kann, haben uns in den letzten Tagen Tunesien, Ägypten und der Iran vorgeführt. Nur das Löschen ist rechtsstaatlich, nachhaltig und funktioniert. Zum Beispiel konnten wir innerhalb von 30 Minuten einschlägige Webseiten löschen, die seit Jahren in Dänemark nur notdürftig gesperrt waren.“
Das Sperren ("Wegsehen statt Handeln") ist damit zwar noch nicht ganz aus der Welt. Es muss aber nicht mehr verpflichtend von allen EU-Ländern eingeführt werden und es muss ein bestimmter rechtlicher Rahmen eingehalten werden, wenn ein Land es dennoch will.
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Unter dem Titel "Zugangserschwerungsgesetz aufheben und verfassungswidrigen Zustand beenden" beantragt die Bundestagsfraktion der SPD das Ende der Netzsperren. Die sind noch in der Großen Koalition beschlossen worden. Das Gesetz wurde dann aber unter Schwarz/Gelb per Anweisung ausgesetzt – ein verfassungswidriger Zustand nach Meinung der Kritiker.
Die Fraktion schreibt:
"Der Bundesinnenminister hat am 19. Februar 2010 das Bundeskriminalamt angewiesen, ein von diesem Haus beschlossenes Gesetz nicht anzuwenden. Das Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen ist am 23. Februar 2010 in Kraft getreten.
Der derzeitige Rechtszustand ist unwürdig und ein eklatanter Bruch der Verfassung! Das Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen muss aufgehoben werden!"
Lars Klingbeil hat für die SPD dazu gesprochen und Netzpolitik.org hat dazu livegebloggt.
Der FoeBuD e.V. (Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e. V.) organisiert zur Zeit eine Verfassungsbeschwerde gegen die Netzsperren. Noch vor der Bundestagswahl beschlossen, trat das Gesetz im Februar diesen Jahres in Kraft, die Umsetzung wurde aber ausgesetzt. Nichtsdestoweniger existierte es. Deswegen will der FoeBuD e.V. Anfang nächsten Jahres Verfassungsbeschwerde einreichen.
Der FoeBuD kritisiert:
"Dieses Gesetz schafft die technische Grundlage für eine landesweite Zensurinfrastruktur im Internet.
Das Risiko ist groß, dass Webseiten gesperrt werden, die gar kein strafbares Material beinhalten. Das zeigen die Erfahrungen aus anderen Ländern.
Kriminelle Inhalte werden nicht gelöscht. Computerkundige können die Sperre leicht umgehen und die Seiten weiterhin aufrufen.
Das Sperren kann die Strafverfolgung vereiteln, da Kriminelle dadurch gewarnt werden.
Das Gesetz ist verfassungswidrig."
Der Verein wirbt um Mitstreiter und Spenden für diese Aktion.
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